Ratlosigkeit in Venezuela

Grenze dicht, Kompromiss nicht in Sicht

Foto: epa/Mauricio Duenas Castaneda
Foto: epa/Mauricio Duenas Castaneda

CARACAS (dpa) - Im Machtkampf in Venezuela stehen sich die Gegner unversöhnlich gegenüber. Der linksnationalistische Staatschef Maduro beweist Sitzfleisch, sein Herausforderer Guaidó hofft weiter auf eine Meuterei des Militärs. Die Armee aber steckt in einer Zwickmühle.

Das venezolanische Militär ignoriert weiter die Forderung des selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, Hilfslieferungen ins Land zu lassen. Soldaten blockieren seit Tagen eine Grenzbrücke zur kolumbianischen Stadt Cúctuca. Dort warteten immer noch zehn Lastwagen mit etwa 100 Tonnen Hilfsgütern für notleidende Menschen in Venezuela auf die Fahrt über die Grenze. Guaidó sagte am Sonntag, es gehe darum, Leben in Venezuela zu retten. Die ausländische Hilfe sei von der venezolanischen Zivilgesellschaft gewollt, betonte Guaidó nach einem Gottesdienst in der Hauptstadt Caracas.

Er machte den Menschen Hoffnungen, dass es in den kommenden Tagen Fortschritte geben werde bei den Bemühungen, die Hilfsgüter nach Venezuela zu bringen. Er verfügt jedoch über keine Regierungsgewalt. Die liegt bei Staatschef Nicolás Maduro, der die Hilfslieferungen als demütigende Almosen und mögliches Einfallstor für eine ausländische Militärintervention ablehnt. Statt «vergiftete» Hilfspakete zu schicken, sollten die USA Sanktionen gegen sein Land aufheben, forderte Maduro. Guaidó bezeichnet er als «Marionette» der USA.

Sowohl Anhänger Maduros wie auch Guaidós gingen am Wochenende wieder auf die Straßen. Offizielle Angaben zu Teilnehmerzahlen auf beiden Seiten gab es zunächst nicht. Im Nachrichtenblatt der sozialistischen Partei machte Maduro erneut die USA für die Lage im Land verantwortlich. Die «kriegstreibende Hysterie der imperialistischen Führer» sei Schuld, hieß es in der Mitteilung. US-Präsident Donald Trump, sein Stellvertreter Mike Pence und US-Außenminister Mike Pompeo gehörten zu einer «rassistischen, faschistischen Elite».

Maduro besuchte am Sonntag gemeinsam mit Verteidigungsminister Vladimir Padrino López und dem Chef der Streitkräfte, Remigio Ceballos, eine Übung der zivilen Kampfgruppen im Bundesstaat Miranda. «Hier gibt es bewaffnete Streitkräfte und hier gibt es ein Volk, das die Ehre, die Würde und den Anstand eines Vaterlands verteidigt, das seit 200 Jahren für seine Zukunft kämpft«, sagte Maduro. «Weg mit Donald Trump, weg mit seinen Drohungen.»

Obwohl Venezuela über die größten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen massenweise Lebensmittel und Medikamente. Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos. Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet. Regierungskritiker werden inhaftiert, Korruption und Gewaltkriminalität sind weit verbreitet. Die krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich destabilisieren Staat und Gesellschaft zusätzlich.

Parlamentspräsident Guaidó hatte sich am 23. Januar selbst zum Interimspräsidenten ausgerufen. Zur Begründung sagte er, die Wahl Maduros im Juni vergangenen Jahres sei undemokratisch gewesen. Dutzende Staaten weltweit, allen voran die USA sowie viele Länder Lateinamerikas und der EU, darunter Deutschland, erkannten ihn inzwischen an. Maduro kann sich auf Russland, China und die Türkei sowie die lateinamerikanischen Länder Kuba, Bolivien und Nicaragua stützen. Er weigert sich, eine Neuwahl des Präsidenten auszurufen - seine Amtszeit ende schließlich erst 2025.

Das von der Opposition dominierte, aber von Maduro weitgehend entmachtete Parlament wandte sich am Samstag via Twitter an die Bevölkerung, um über die geplante Verteilung von Hilfsgütern zu informieren. Zunächst sollten vor allem unterernährte Kinder, Schwangere und Alte Hilfen erhalten. Das Parlament betonte: «Es ist keine ausländische Militärintervention, es ist echte Hilfe.» Es handele sich auch nicht um Almosen. Weitere Lieferungen sollen im benachbarten Brasilien sowie auf einer Karibikinsel zum Transport in das südamerikanische Krisenland bereitgestellt werden.

Das Militär steckt angesichts der Not der Bevölkerung und des internationalen Drucks in einem Dilemma. Blockieren sie weiterhin die Hilfslieferungen, könnten sie weiter an Rückhalt in der Bevölkerung verlieren. Lassen sie die Güter aber passieren, käme das einer Meuterei gegen Maduros Regierung gleich. Die Militärführung ist zudem in den Staatsapparat eingebunden, immer wieder werden Vorwürfe über Korruption, illegale Machenschaften und Schmuggel laut.

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