Rangeln um die politische Mitte

​Dänemark wählt ein neues Parlament

Die dänische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Mette Frederiksen (C) nimmt an der Wahlversammlung der Partei teil, bevor sie Wahlplakate am Nytorv in Aalborg aufhängt. Foto: epa/Henning Bagger
Die dänische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Mette Frederiksen (C) nimmt an der Wahlversammlung der Partei teil, bevor sie Wahlplakate am Nytorv in Aalborg aufhängt. Foto: epa/Henning Bagger

KOPENHAGEN: Regierungschefin Mette Frederiksen und ein mehr oder weniger vereinter konservativ-rechter Block ringen bei der Parlamentswahl in Dänemark um die Macht. Umfragen deuten jedoch darauf hin, dass ein alter Bekannter in der Mitte zum entscheidenden Mann werden könnte.

Geht es nach Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, dann wird Dänemark bald eine Regierung mit breiter Mehrheit in der politischen Mitte erhalten. Nach knapp dreieinhalb Jahren mit einer linksgestützten Minderheitsregierung peilt die Sozialdemokratin bei der Parlamentswahl am Dienstag eine Zusammenarbeit jenseits der traditionellen Blockgrenzen an.

Beim nördlichen deutschen Nachbarn wäre solch eine Konstellation eine Seltenheit - Frederiksen zufolge angesichts etlicher Krisen auf der Erde aber genau das Richtige. Die konservative Opposition will da aber nicht mitmachen - und Frederiksens Vorgänger Lars Løkke Rasmussen könnte nach einem kometenhaften Aufstieg in jüngsten Umfragen mit einer neuen Partei am Ende alle anderen ausstechen.

Frederiksen ist mit 44 Jahren eine der jüngsten Regierungschefinnen Europas. Sie führt Dänemark seit 2019 mit einer ausschließlich aus Sozialdemokraten bestehenden Minderheitsregierung. Sie hat Dänemark gut durch die Corona-Krise gelotst und setzt auf das Bild der starken Staatsfrau, auf die ihre Landsleute in Krisen vertrauen können.

«Sicher durch unsichere Zeiten», ist angesichts des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise ihr zentraler Wahl-Slogan. Kritiker werfen ihr dagegen Machtkonzentration vor, was ihr den teils etwas abschätzig gemeinten Beinamen «Mor Mette» (Mutter Mette) eingebracht hat. Bei den Wählern genießt sie dennoch hohe Zustimmungswerte.

Nun hätte Frederiksen eigentlich bis Juni 2023 Zeit gehabt, um eine Wahl auszurufen. Sie musste sich letztlich aber einem Ultimatum der linksliberalen Unterstützerpartei Radikale Venstre beugen. Der Streit hing mit dem Skandal um die Massentötung von Millionen für die Pelzproduktion gezüchteten Nerzen während der Corona-Pandemie zusammen. Als sie das Wahldatum Anfang Oktober verkündete, hatte die 44-Jährige aber eine Überraschung parat: Sie strebe eine breite Regierung mit Parteien aus beiden traditionellen Blöcken in der politischen Mitte an, verkündete sie damals. «Die Zeit ist gekommen, um eine neue Regierungsform in Dänemark zu probieren», sagte sie.

Damit begann das große Taktieren, denn Frederiksen gab mit ihrer Ankündigung auch ein Signal in Richtung ihres bisherigen linken Lagers, wie der Politikwissenschaftler Kasper Møller Hansen von der Universität Kopenhagen erklärte. «Sie sagt ihren Freunden im roten Block, dass sie nicht bereit ist, all ihre Forderungen zu akzeptieren.»

Diesmal ringen gleich 14 Parteien - drei mehr als 2019 - darum, den Sprung über die niedrige Zwei-Prozent-Hürde und damit ins dänische Parlament in Kopenhagen zu schaffen. Das liegt teils daran, dass dänische Spitzenpolitiker die Angewohnheit haben, einfach eine neue Partei zu gründen, wenn sie sich mit ihrer alten überworfen haben.

Der liberal-konservative Partei Venstre um ihren Vorsitzenden Jakob Ellemann-Jensen, die bis 2019 mit Løkke noch den Ministerpräsidenten stellte, ist das jüngst gleich zweimal passiert: Erst gründete Løkke 2021 die Partei Die Moderaten, dann folgte diesem Beispiel auch die Ex-Ausländerministerin Inger Støjberg, die in diesem Sommer die sogenannten Dänemarkdemokraten ins Leben rief.

Venstre steckt seit längerem in der Krise und verlor mit Løkke und Støjberg gleich zwei politische Schwergewichte. Dennoch will sich Ellemann-Jensen nicht dem Angebot von Frederiksen zu einer breiten Regierung beugen: Er präsentierte sich stattdessen als Anführer eines Parteienblocks, zu dem gleich sechs liberale, konservative und rechtspopulistische Parteien gehören, darunter auch die von Støjberg.

Die skandinavischen Länder sind bekannt dafür, auch auf Minderheitsregierungen zu setzen. Das hat den Nachteil, über keine eigene Regierungsmehrheit zu verfügen, aber auch den Vorteil, flexibler auf der Suche nach Mehrheiten im Parlament zu sein. Frederiksen beispielsweise bekam meist Unterstützung von links, bei ihrem strikten Einwanderungskurs dagegen von rechts. Auch in Schweden hatte sich jüngst eine Minderheitsregierung aus Konservativen und Liberalen gefunden, die für Mehrheiten auf die rechtspopulistischen Schwedendemokraten angewiesen ist.

Politologe Møller Hansen ist sich so gut wie sicher, dass Dänemark auch in Zukunft von einer Minderheitsregierung geführt werden wird - jedoch einer, die aus mehr als einer Partei besteht. Der entscheidende Mann könnte dabei genau in der Mitte sitzen: Løkke, der die Idee einer blockübergreifenden Zusammenarbeit schon vor der Wahl 2019 geäußert hatte, hat in den Umfragen der vergangenen Wochen einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Vor rund einem Monat lagen seine Moderaten noch knapp über der Zwei-Prozent-Hürde, dann schossen die Werte in die Höhe. Jüngst lag die neue Partei bei über 11 Prozent - und damit nicht mehr weit hinter Løkkes Ex-Partei Venstre.

Es sieht danach aus, dass kein Lager ohne Løkke auf eine Mehrheit von 90 der 179 Sitze kommen wird. «Lars Løkke wird der große Königsmacher sein, wenn es eine mögliche blaue Mehrheit gibt», sagt Møller Hansen. Und nicht nur das: Angesichts des Verhandlungsgeschicks des früheren Regierungschefs und seiner Position in der Mitte könnte er am Ende gar derjenige sein, der nur dreieinhalb Jahre nach dem Machtverlust den Posten des Ministerpräsidenten wieder für sich beansprucht.

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