BERLIN: Die Ukraine geht davon aus, dass noch dieses Jahr der Rahmen für ein internationales Sondertribunal fertiggestellt werden kann, vor dem Russland für den Angriffskrieg auf die Ukraine zur Verantwortung gezogen werden kann. «Ich hoffe, dass wir uns in diesem Jahr auf die Struktur und die Aufgaben des Gerichtshofs einigen können», sagte der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). «Dann wird es möglich sein, die vorbereitenden Arbeiten für ein Gerichtsverfahren zu konkretisieren.»
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag hatte kurz nach der russischen Invasion vor zwei Jahren Ermittlungen zu Kriegsverbrechen eingeleitet. Russland erkennt das Weltstrafgericht allerdings nicht an. Die Ukraine will die russische Führungsriege per Sondertribunal zur Rechenschaft zu ziehen. Den Vorschlag unterstützt auch die Bundesregierung.
Kostin sagte, bei einem Prozess müsse auch der russische Präsident Wladimir Putin wegen des Angriffskriegs angeklagt werden. «Es ist wichtig, dass gegen Putin selbst ermittelt werden kann. Schließlich ist Aggression ein Verbrechen gegen den Frieden, für das die höchsten Beamten, die die Aggression initiiert haben, zur Rechenschaft gezogen werden müssen.»
Nach Angaben Kostins wurden in der Ukraine bisher mehr als 122.000 Vorfälle erfasst, die als Kriegsverbrechen gewertet werden. «Das ist noch lange nicht alles, denn wir haben keinen Zugang zu den besetzten Gebieten», sagte er. «Es gibt kein einziges Kriegsverbrechen, das die Russen in der Ukraine nicht begangen hätten: Die Rede ist von Mord an Zivilisten, Vergewaltigung, Folter, illegaler Inhaftierung, Misshandlung, Plünderung, Entführung von Kindern, Zerstörung der Umwelt.»
Die Ukraine wehrt seit dem 24. Februar 2022 eine russische Invasion ab. Internationale Menschenrechtsorganisationen hatten insbesondere Russland wiederholte Verstöße gegen die Genfer Konventionen zum Umgang mit Kriegsgefangenen und dem Schutz von Zivilisten vorgeworfen.