Rätsel um Verwertbarkeit der Spuren geht weiter

Das Verteidigerteam um Chefanwalt Nakhon Chomphuchat (re.) und den britischen Berater Andy Hall (hi. Mitte) gestern vor dem Provinzgericht Samui. Daneben die Mütter der Angeklagten (rechts).
Das Verteidigerteam um Chefanwalt Nakhon Chomphuchat (re.) und den britischen Berater Andy Hall (hi. Mitte) gestern vor dem Provinzgericht Samui. Daneben die Mütter der Angeklagten (rechts).

KOH SAMUI: Wie viel der DNA, die bei den Mordermittlungen auf Koh Tao seit dem 15.September 2014 sichergestellt worden ist, blieb verwertbar? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Provinzgericht Koh Samui seit gestern bei der Einvernahme zweier polizeilicher Laborangestellter des Polizeilich Forensischen Institutes Bangkok.

Frau Kewalee Chanpan, Oberleutnant und mit der Spurenauswertung im Doppelmordfall an Hannah Witheridge und David Miller beauftragt, erstaunte gestern Nachmittag im Gericht mit ihrer deutlichen Aussage. Ihre Abteilung habe genügend DNA aufgearbeitet, um eine neuerliche Untersuchung vorzunehmen. Es sei gängige Praxis, erläuterte die forensische Fachkraft, DNA bis zu einem Jahr gebrauchsfähig zu lagern. Welche spezifischen Proben das in diesem Fall seien, konnte sie nicht sagen.

Ob ihre Auskunft im Gegensatz zu polizeilichen Äußerungen steht, in denen behauptet worden war, „die meisten DNA-Proben aus Koh Tao seien aufgebraucht und nicht mehr verwertbar“, muss die angeordnete Neuuntersuchung aller noch vorhandener Tatort-DNA ergeben. Das Rätselraten um die Frage, welche Spuren vom Doppelmord letztlich schlüssige Antworten geben könnten, geht weiter.

Die Verteidigung beklagte sich sichtlich genervt über das ständige Hin und Her und darüber, dass Polizei und Staatsanwaltschaft keine erkennbaren Anstrengungen unternommen hätten, sichergestelltes Material vom Tatort zügig einer Zweituntersuchung zuzuführen. Das ‚Zentrale Institut für Forensische Wissenschaften‘, das dem Justizministerium untersteht und von der weltweit geachteten Chefforensikerin Dr. Pornthip Rojanasunand geleitet wird, soll die verbliebenen und verwertbaren Spuren neu auswerten. Das ist heute vom Provinzgericht Koh Samui nochmals eindeutig angeordnet worden.

Das wichtigste Indiz in diesem Mordfall ist laut Staatsanwaltschaft das im Körper von Mordopfer Hannah Witheridge gefundene Sperma. Es handelt sich angeblich um DNA von zwei unterschiedlichen Tätern asiatischer Herkunft. Die Staatsanwaltschaft hat bekräftigt, es habe eine Übereinstimmung dieser DNA mit denen der Angeklagten Zaw Lin und Wai Phyo aus Myanmar gegeben. Bis heute ist für die Öffentlichkeit nicht ersichtlich, ob diese DNA-Abgleiche glaubwürdig und mit zweifelsfreier gerichtsmedizinischer Professionalität erfolgt sind.

Fest steht nach dem sechsten Verhandlungstag, dass ein gebrauchtes Condom vom Tatort nur die DNA von Hannah Witheridge aufweist und Spuren von Sand. Außerdem soll die mutmaßliche Tatwaffe, eine Gartenhacke, Blut von Hannah Witheridge enthalten haben – jedoch keinerlei weiteren DNA-Spuren von Zweiten oder Dritten. Vier Zigarettenstummel der Marke LM, die einige Meter vom Fundort der Leichen sichergestellt worden waren, seien den Beschuldigten Zaw Lin und Wai Phyo zugeordnet worden. Weitere Spuren sind ein Schuh, eine Socke und eine Tüte, die von den Ermittlern eingelagert wurden.

Gestern Abend brach das Gericht um 18.30 Uhr die Verhandlung ab und ersparte den Beteiligten und Angeklagten eine weitere Nachtsitzung. Zur Stunde wird mit der Einvernahme einer weiteren Laborfachkraft des Polizeilichen Forensischen Institutes fortgefahren. Das Gericht geht anschließend in eine vierwöchige Verhandlungspause und der Doppelmordprozess wird laut Terminplan erst Ende August wieder aufgenommen.

In britischen Medien spiegelt sich die gerichtliche Aufarbeitung des grausamen Mordes an den zwei jungen Rucksacktouristen Hannah Witheridge und David Miller auf vielen Titelseiten wider. Im Internet und in sozialen Netzwerken diskutieren Tausende über die Ermittlungsumstände auf Koh Tao.

Die Polizei und die Staatsanwaltschaft kommen dabei selten gut weg. Auch nach sechs Prozesstagen auf Koh Samui steht der Vorwurf im Raum, die Ermittlungen seien unter katastrophalen Begleiterscheinungen durchgeführt worden und die beiden Beschuldigten möglicherweise nur Sündenböcke.

Der Verteidigung um Rechtsanwalt Nakhon Chomphuchat ist es in sechs Verhandlungstagen gelungen, Zweifel an der fachkompetenten Aufnahme von Tatortspuren zu schüren. Auch die Auswertung der CCTV-Videoaufzeichnungen der Tatnacht ist von den Verteidigern zerpflückt worden. Weder habe es klare Zuordnungen von verdächtigen Personen auf diesen Videos gegeben, noch habe die Polizei es geschafft, das gesamte Umfeld des Sairee Beach bildlich auszuwerten. Der Bootspier in Sairee, möglicherweise sogar Ausgangspunkt für die Flucht von Tätern, sei bis heute nicht ermittlungstechnisch behandelt worden.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.