Radstars verneigen sich vor Pogacar

​«Geburt eines großen Champions»

Primoz Roglic (l-r) aus Slowenien vom Team Jumbo-Visma (mit seinem Sohn Lev), Zweitplatzierter, Tadej Pogacar aus Slowenien vom UAE Team Emirates, Erstplatzierter, und Richie Porte aus Australien vom Team Trek-Se... Foto: David Stockman/Belga/dpa
Primoz Roglic (l-r) aus Slowenien vom Team Jumbo-Visma (mit seinem Sohn Lev), Zweitplatzierter, Tadej Pogacar aus Slowenien vom UAE Team Emirates, Erstplatzierter, und Richie Porte aus Australien vom Team Trek-Se... Foto: David Stockman/Belga/dpa

PARIS: Die Größen des Radsports sind von Tadej Pogacar begeistert. Für Eddy Merckx ist er «ein ganz Großer», Greg Lemond fühlt sich an seinen Coup von 1989 erinnert. Mit 21 Jahren und 365 Tagen ist er an der Spitze angekommen. Jünger war nur ein Toursieger: Henri Cornet 1904.

Das Herzschlagfinale von 1989 kennt Tadej Pogacar nur aus Youtube-Videos und alten Erzählungen. Er war noch nicht einmal auf der Welt, als Greg Lemond in einem denkwürdigen Einzelzeitfahren auf den Champs Élysées den Sieg bei der Tour de France noch an sich gerissen hatte. Doch nach und nach schwante dem gerade einmal 21 Jahre jungen Radstar, dass er ähnlich Historisches vollbracht hatte. «Das ist alles zu groß für mich», sagte Pogacar, als er aufgeregt wie ein Gymnasiast bei der Abiturprüfung vor der Weltpresse stand. «Ich bin nur ein Kind aus Slowenien, habe zwei Schwestern und einen Bruder. Was soll ich sagen?»

Der Sohn einer Universitätsprofessorin - passenderweise im Fach Französisch - war von dem Geschehen selbst überwältigt. Er hatte eigentlich nur davon geträumt, bei der Tour zu starten. «Und jetzt trage ich das Gelbe Trikot», sagte der junge Mann aus Komenda und seufzte. Mit gerade einmal 21 Jahren und 365 Tagen holte sich Pogacar am Sonntag den Gesamtsieg in Paris. Nur ein Toursieger war jünger: Henri Cornet stand 1904 bei der zweiten Auflage des Rennens beim Finale kurz vor seinem 20. Geburtstag, den Sieg bekam er nach der Disqualifikation der vier besten Fahrer erst Monate später zugesprochen. Aber das waren ganz andere Zeiten.

In einem famosen Bergzeitfahren nach La Planche des Belles Filles hatte er seinen bislang so souveränen Landsmann Primoz Roglic in der Gesamtwertung noch überholt. So wie Lemond 1989, damals aber noch am Schlusstag in Paris. Der Amerikaner war hellauf begeistert von der Triumphfahrt des Slowenen. «Ich habe vor dem Fernseher geschrien, so wie ich 1989 auf den Champs Élysées bei meinem Sieg geschrien habe. Das ist die Geburt eines großen, großen Champions», sagte Lemond dem französischen Tour-Organ «L'Equipe».

Die Größten des Radsports verneigten sich vor Pogacar. «Ich wusste schon nach der Vuelta, dass er ein Großer ist. So eine Nummer macht man nicht, wenn man kein Talent hat», sagte der fünfmalige Champion Eddy Merckx. Und der einstige Patron Lance Armstrong, inzwischen in Radsport-Kreisen geächtet und wegen seiner Doping-Vergangenheit lebenslang gesperrt, sprach von einer «Leistung für die Ewigkeit». Vielleicht sei es die Beste jemals gewesen. Neben dem Gelben räumte «Super-Poga» auch das Gepunktete und Weiße Trikot als bester Bergfahrer und Nachwuchsprofi ab.

Wer ist dieser Tadej Pogacar? Mit neun Jahren kam er zum Radsport. Das Rennrad war ihm damals noch zu groß, und trotzdem besiegte er die älteren Jungs. Pogacar war schon immer seiner Zeit voraus. Als er bei der Kalifornien-Rundfahrt 2019 triumphierte, musste das Protokoll der Siegerehrung geändert werden. Mit 20 war er noch zu jung für die Champagnerflasche, stattdessen gab es einen Teddy.

Und bei der letzten Spanien-Rundfahrt gewann er ebenfalls mit 20 drei Etappen, was noch keinem Radsportler in so jungen Jahren bei einer großen Rundfahrt gelang. Er habe eine gute Genetik mitbekommen, meinte Pogacar: «Dafür muss ich meinen Eltern danken.»

Mit seiner Freundin Urska Zigart teilt er die gleiche Leidenschaft, sie ist ebenfalls Radsportlerin und bestritt gerade den Giro d'Italia der Frauen. Zusammen wohnen sie in Monaco - bislang unscheinbar zwischen all den Reichen und Schönen. «Die Dinge werden sich verändern, aber ich möchte der bleiben, der ich bin. Ich möchte Spaß haben, das Leben genießen», sagte Pogacar.

2009 begann er, die Tour im Fernsehen zu schauen. Damals habe er Alberto Contador zugejubelt. Bleibt zu hoffen, dass ihm ein ähnliches Schicksal erspart bleibt. Contador wurde wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt. Bei Pogacar gibt es bislang keine Verdachtsmomente, auch wenn das Umfeld nicht ganz astrein ist. Sein Entdecker und Sportdirektor Andrej Hauptman wurde im Jahr 2000 wegen eines Hämatokritwertes von über 50 Prozent nicht zur Tour zugelassen. Und in der Dopingaffäre «Operation Aderlass» führen viele Spuren nach Slowenien - aber bislang keine zu Pogacar.

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