Das Militär will die Macht nicht mehr teilen

​Putsch im Sudan 

Tausende von Demonstranten gehen auf die Straße, um die Machtübernahme durch das Militär zu verurteilen. Foto: Ashraf Idris/Ap/dpa
Tausende von Demonstranten gehen auf die Straße, um die Machtübernahme durch das Militär zu verurteilen. Foto: Ashraf Idris/Ap/dpa

KHARTUM: Noch vor ein paar Monaten wurde der Sudan für den friedlichen Wandel im Land international gefeiert. Doch nun beansprucht das Militär die Macht für sich. Ist der Traum von der Demokratie vorbei?

Im ostafrikanischen Sudan will das Militär wieder an die Macht. Der höchste Militärvertreter im Land, General Abdel Fattah al-Burhan, verkündete am Montag die Entmachtung der zivilen Regierungsmitglieder - und bestätigte damit indirekt sich verdichtende Hinweise auf einen Militärputsch. Im ganzen Land werde der Ausnahmezustand verhängt, sagte al-Burhan, in Militäruniform gekleidet, während einer Fernsehansprache. Somit scheint in dem Land mit rund 44 Millionen Einwohnern am Horn von Afrika der zweite Putschversuch innerhalb nur eines Monats geglückt. International hagelt es Kritik. Nach Angaben von Ärzten soll es mindestens zwei Tote und rund 80 Verletzte gegeben haben.

Der Souveräne Rat aus Militärs und Zivilisten sowie das Kabinett seien aufgelöst, sagte al-Burhan. Der Schritt sei notwendig nachdem es «Chaos und Gewalt» gegeben habe. Seit Monaten kommt es im Sudan immer wieder zu Protesten von Menschen die politische und wirtschaftliche Reformen fordern. Das Militär werde den Übergang zur Demokratie vollziehen, versprach der General. Das Ziel sei es die Führung des Landes nach Wahlen im Juli 2023 an eine zivile Regierung zu übergeben.

Hinweise auf einen Putsch hatten sich am frühen Montagmorgen verdichtet. Das Internet, das Mobilfunknetz und Teile des Festnetzes waren seit den frühen Morgenstunden nicht mehr zugänglich, meldete die britische Organisation Netblocks, die weltweit Internetsperren dokumentiert. «Im Zusammenhang mit innenpolitischen Unruhen wurden in Khartum weiträumig Brücken- und Straßensperren errichtet, sowohl durch das Militär als auch im Rahmen von Demonstrationen,» sagte das Auswärtige Amt in einer Mitteilung.

Der Aufenthalt des Premierministers Abdullah Hamduk, der seit August 2019 gemeinsam mit al-Burhan an der Spitze der Übergangsregierung stand, ist ungeklärt. Hamduk sei von Angehörigen des Militärs an einen unbekannten Ort verschleppt worden, hieß es in einer Mitteilung auf der offiziellen Facebook-Seite des Informationsministeriums. Demnach habe Hamduk sich geweigert, den Putsch zu unterstützen, und die sudanesische Bevölkerung aufgerufen, «am Frieden festzuhalten und die Straßen zu besetzen, um die Revolution zu verteidigen».

Ein dpa-Reporter vor Ort beobachtete, dass tausende Demonstranten auf den Straßen Khartums gegen die Übernahme der Regierung durch die Armee demonstrierten. In der Hauptstadt waren Schüsse zu hören; Barrikaden standen in Flammen. Das zentrale nationale Ärztekomitee sprach am Abend auf seiner Facebook-Seite von mindestens zwei Toten und 80 Verletzten. Nach Angaben eines Augenzeugen wurde über die Lautsprecher der lokalen Moschee im Wohnviertel Riad zum zivilen Widerstand aufgerufen. Eine nahe gelegene vierspurige Straße sei von Demonstranten mit Steinen und Reifen blockiert worden, sagte der Augenzeuge.

Mitglieder der Übergangsregierung und mehrere Minister seien ebenfalls festgenommen worden, so das Informationsministerium. Der Al-Burhan äußerte sich nicht zum Verbleib Hamduks oder der anderen Regierungsmitglieder. Das Militär habe die Zentralen von Radio- und Fernsehsendern in Omdurman nahe der Hauptstadt Khartum gestürmt und dort Mitarbeiter festgenommen, hieß es weiter.

Eine Sprecherin des Weißen Hauses sagte am Montag, man sei «zutiefst beunruhigt» über die Berichte aus dem Sudan. «Wir lehnen das Vorgehen des Militärs ab und fordern die sofortige Freilassung des Premierministers und anderer, die unter Hausarrest gestellt wurden.» Das Vorgehen stehe im «krassen Gegensatz zum Willen des sudanesischen Volkes und seinem Streben nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit». Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, sagte, Hilfen in Höhe von 700 Millionen US-Dollar, die für die Unterstützung des demokratischen Übergangs im Sudan geplant gewesen seien, würden zunächst gestoppt.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlangten die Freilassung Hamduks. Macron schrieb auf Twitter: «Ich spreche der sudanesischen Übergangsregierung unsere Unterstützung aus.» Den Versuch eines Militärputsches verurteile man aufs Schärfste.

Großbritannien kritisierte den Putsch scharf. «Das heutige Vorgehen des Militärs bedeutet einen inakzeptablen Verrat am sudanesischen Volk und seinem Weg zur Demokratie», sagte die Staatssekretärin im Außenministerium, Vicky Ford, im Parlament in London. «Wir sind auch zutiefst besorgt über Berichte über Erschießungen von Demonstranten. Das muss aufhören.»

Der Sudan wurde fast 30 Jahre lang von Omar al-Baschir regiert. Der Langzeit-Machthaber wurde im April 2019 durch monatelange Massenproteste und einen Militärputsch aus dem Amt getrieben. Daraufhin einigten sich das Militär und die zivile Opposition auf eine gemeinsame Übergangsregierung, die den Weg zu Wahlen ebnen sollte. Es folgten zahlreiche Reformen, wodurch sich das ölreiche aber verarmte Land aus einer jahrzehntelangen Isolation befreien konnte.

Im Mai gewährten internationale Geber, darunter auch Deutschland, dem Sudan einen milliardenschweren Schuldenerlass, um den friedlichen Übergang zur Demokratie zu unterstützen. Allerdings hat sich die wirtschaftliche Lage für viele Menschen nicht verbessert: nach Angaben der Vereinten Nationen sind die Preise für Lebensmittel und Treibstoff in den vergangenen Monaten in die Höhe geschossen. Seit Monaten kommt es im Land immer wieder zu Protesten von Menschen die politische und wirtschaftliche Reformen fordern.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Dieter Goller 25.10.21 21:30
Wenngleich der Sudan bzgl. eines Militaerputsches aufgrund der eigenen Historie keine auslaendischen Vorbilder benoetigt, faellt doch auf, dass auch hier - wie in Myanmar - von einer zweijaehrigen Uebergangsfrist die Rede ist. Bleibt dann allerdings abzuwarten, ob daraus dann nicht mehr als 7 Jahre (plus x )erwachsen.