MOSKAU: Chinas Staatschef Xi und Kremlchef Putin demonstrieren in Moskau den Schulterschluss, während der Westen Russland wegen des Kriegs in der Ukraine zunehmend unter Druck setzt. Die beiden mächtigen Nachbarn festigen ihre strategische Partnerschaft für eine «neue Weltordnung».
Bei einem festlichen Staatsakt im Kreml haben Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ihre strategische Partnerschaft mit neuen Abkommen bekräftigt. Russlands Staatsfernsehen zeigte am Dienstag die Zeremonie. Unterzeichnet worden seien zwei Abkommen über die Partnerschaft und über die strategische Zusammenarbeit der Nachbarn bis 2030, sagte Putin bei einem gemeinsamen Auftritt. Xi lobte die «konstruktiven Gespräche» mit Putin und sprach von einem Ausbau des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland.
Bei den Verhandlungen ging es auch um den Krieg in der Ukraine. Putin lobte erneut das international skeptisch aufgenommene Ukraine-Papier Chinas. «Wir finden, dass viele der Positionen des von China vorgebrachten Friedensplans mit den russischen Ansätzen übereinstimmen und als Grundlage für eine friedliche Lösung genommen werden können, sobald der Westen und Kiew dazu bereit sind», sagte der 70-Jährige. Er sprach von «warmherzigen und kollegialen» Gesprächen mit seinem 69 Jahre alten Freund Xi. China hatte einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen vorgeschlagen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Putin und Xi hätten bereits am Montag viereinhalb Stunden über die Ukraine gesprochen. Beide aßen auch zu Abend. «Es gab die Möglichkeit, alles zu klären», so Peskow. «Sie haben sich gegenseitig angehört, das ist das Wichtigste.»
Xi sagte laut russischer Übersetzung, China halte sich an «die Ziele und Prinzipien der UN-Charta». Zugleich betonte er mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, den Putin vor mehr als einem Jahr angeordnet hatte, sein Land nehme eine «objektive und unparteiische Position» ein. Für internationale Beobachter gilt China allerdings keinesfalls als neutrale Instanz - vor allem, weil das mit Russland verbündete Land den Einmarsch in die Ukraine nie verurteilt hat. Über mögliche Waffen- und Munitionslieferungen Chinas an Russlands wurde nichts bekannt.
Xi war am Montag in Moskau eingetroffen und sollte noch bis Mittwoch bleiben. Für Putin kam der Besuch aus Peking auch deshalb gelegen, weil er so zeigen kann, dass er international nicht isoliert ist - trotz des Haftbefehls, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gegen Putin erlassen hat. Der Kreml äußerte Zweifel, dass Xi unmittelbar nach seinem Staatsbesuch auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen würde. Die Ukraine hatte Interesse an einem solchen Austausch gezeigt.
Gemeinsame Erklärung zu internationalen Fragen
Laut russischen Nachrichtenagenturen verabschiedeten Putin und Xi auch eine gemeinsame Erklärung zu internationalen Fragen. Demnach forderten sie eine objektive Aufklärung der Explosionen an den Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2. Sie sprachen sich gegen eine Vorherrschaft der USA und für eine multipolare Weltordnung aus. Sie betonten, dass ihre strategische Partnerschaft keinen militär-politischen Block darstelle. Ihre Zusammenarbeit richte sich nicht gegen andere Staaten, hieß es.
Zugleich riefen sie die USA zum Verzicht auf ein globales Raketenabwehrsystem auf. Unterlassen solle Washington demnach auch Schritte für eine Destabilisierung der strategischen Sicherheit in der Welt, hieß es weiter. So sollten Atommächte auch ihre Nuklearwaffen nicht in Drittstaaten stationieren. Russland hatte immer wieder einen Abzug von US-Atomwaffen aus Deutschland gefordert.
Putin spricht von erfolgreichem Treffen
Kremlchef Putin sprach von einem erfolgreichen Treffen. Seine wichtigste Mission erfüllte Xi nach Meinung russischer Experten schon unmittelbar nach seiner Ankunft am Montag. Mit seiner demonstrativen Unterstützung für Putin habe Xi nicht nur für Russland den offiziellen Start des Präsidentenwahlkampfes gegeben, meinte der Politologe Sergej Malachow. Er sei auch das Signal an die internationale Gemeinschaft, dass der Kremlchef bleibe. «China hat faktisch die Frage einer internationalen Isolation weggewischt», sagte Malachow der Zeitung «Wedomosti».
Xi gratulierte Putin am Montag praktisch schon zum Sieg bei der Präsidentenwahl im nächsten Jahr, obwohl der bisher noch nicht einmal seine Kandidatur erklärt hat. Und am Dienstag lud er seinen Freund Putin und Regierungschef Michail Mischustin zum Gegenbesuch nach Peking ein. Die Botschaft an den Westen: China setzt auf lange Sicht auf Putin als Garant für eine antiliberale Front gegen den Westen. Putin und Xi haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie für eine neue multipolare Weltordnung eintreten ohne Dominanz der USA.
Xi zum Staatsbesuch bei Putin: «Historische Logik»
Es entspreche der «historischen Logik», dass er Russland gewählt habe für seinen ersten Besuch nach der Wiederwahl, weil beide große Länder Nachbarn und «strategische Partner» seien, sagte Xi. Russland setzt etwa bei seinen Währungsreserven zunehmend auf Rücklagen in der chinesischen Währung Yuan. China profitiert vom Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Trotz des Ukraine-Kriegs bezieht die Volksrepublik weiterhin günstiges Gas aus dem Nachbarland. Gleichzeitig dringen chinesische Unternehmen in Märkte vor, die in Russland bisher von westlichen Firmen besetzt waren.
Allerdings achtet Peking darauf, zumindest nicht offensichtlich gegen Sanktionen zu verstoßen. Dem Westen soll kein Anlass gegeben werden, seine wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen auch gegen China zu richten. «Aber fast alles, was irgendwie im Handel möglich ist, wird gemacht», sagt ein westlicher Wirtschaftsvertreter in Peking über die aktuelle Dynamik im russisch-chinesischen Handel.
Durch Hilfe für Russland schützt Peking aus seiner Sicht auch eigene Sicherheitsinteressen. Unruhen in Russland oder gar einen Sturz Putins will man in China nicht sehen. Schließlich teilen sich beide Staaten eine mehr als 4000 Kilometer lange Grenze. Das Schlimmste wäre aus chinesischer Sicht ein Nachbar, der sich unter neuer Führung nach Westen orientiert.
Doch die Unterstützung Russlands ist ein zweischneidiges Schwert. So beobachtet man in Peking mit Sorge, dass sich die meisten europäischen Staaten, darunter auch Deutschland, durch den Ukraine-Krieg noch stärker an den USA orientieren. Während die Spannungen mit Washington unüberwindbar scheinen, hoffte China bislang zumindest auf mehr Kooperation mit Europa, das für die Volksrepublik insgesamt ein noch wichtigerer Handelspartner ist als Russland.
Mit einem diplomatischen Beitrag zur Beendigung des Krieges könnte die chinesische Führung bei den Europäern Ansehen zurückgewinnen. Auch scheint klar, dass China allein durch sein wirtschaftliches Gewicht Russland zu Zugeständnissen bewegen könnte. Doch Peking scheint einen anderen Weg einzuschlagen.
Putin sichert China verlässliche Energieversorgung zu
MOSKAU: Russlands Präsident Wladimir Putin hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping dauerhaft eine zuverlässige Versorgung mit Öl und Gas zugesichert. Russland sei in der Lage, die wachsende Nachfrage der chinesischen Wirtschaft nach Energie zu befriedigen, sagte Putin am Dienstag im Kreml bei Verhandlungen mit Xi und der chinesischen Delegation. Bis 2030 solle die Gaslieferung auf fast 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen. Zudem würden 100 Millionen Tonnen Flüssiggas geliefert, aber auch Kohle und andere Energieträger.
Die Rohstoffgroßmacht Russland orientiert sich nach dem Wegbruch des europäischen Energiemarktes im Zuge ihres Krieges gegen die Ukraine zunehmend nach Asien. China erhält die Energie mit Preisabschlägen. Nach Darstellung Putins hat das Handelsvolumen zwischen China und Russland im vergangenen Jahr einen Rekord erreicht mit fast 190 Milliarden US-Dollar (rund 176 Milliarden Euro). In diesem Jahr soll der Wert auf mehr als 200 Milliarden US-Dollar steigen.
Trotz des Drucks westlicher Sanktionen gegen Russland nehme der Handel zu, betonte Putin. Er informierte auch darüber, dass praktisch alle Voraussetzungen vorlägen für eine neue Gaspipeline über die Mongolei nach China. Durch sie sollen künftig 50 Milliarden Kubikmeter Gas fließen. Der Kremlchef sagte außerdem, dass Russland bereit sei zur Lieferung von Agrarprodukten an China. Beide Staaten hätten langfristige Perspektiven und könnten etwa zu führenden Staaten in der Informationstechnologie und bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz werden.
Ausgeweitet werden sollen laut Putin auch Zahlungen für Waren in der chinesischen Währung Yuan und in Rubel. Dazu seien auch die Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zunehmend bereit. Russland verfolgt diese Strategie, um den US-Dollar als Währung zu schwächen.
Xi sagte in einer kurzen Stellungnahme laut russischer Übersetzung, dass die Beziehungen zwischen Peking und Moskau sich «gesund und dynamisch» entwickelten. Am Ende der Verhandlungen sollten noch am Dienstag Abkommen beider Länder über einen Ausbau der strategischen Partnerschaft unterzeichnet werden. Am Abend ist noch ein Festbankett geplant, bevor der Staatsbesuch an diesem Mittwoch endet.
China gilt als enger Verbündeter Russlands. Zugleich hielt sich Peking bislang weitgehend an die internationalen Sanktionen gegen Moskau, um nicht selbst zum Ziel von Strafmaßnahmen zu werden.