Publizist Gui Minhai aus Hongkongzu zehn Jahren verurteilt

Foto: epa/Jerome Favre
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PEKING (dpa) - Sein Fall sorgt seit fünf Jahren international für Aufsehen. Nach seinem mysteriösen Verwinden landet der Hongkonger Buchhändler Gui Minhai in China - darf nicht ausreisen. Jetzt kommt er ins Gefängnis.

Der in China festgehaltene Hongkonger Buchhändler Gui Minhai ist wegen der «illegalen Weitergabe von geheimen Informationen ans Ausland» zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Publizist, dessen Fall seit Jahren international für Schlagzeilen sorgt, wurde am Montag von einem Mittleren Volksgericht in Ningbo in der ostchinesischen Provinz Zhejiang verurteilt, wie am Dienstag in einer Mitteilung des Gerichts zu lesen war. Nach diesen Angaben will der 55-Jährige, der 1996 schwedischer Staatsbürger wurde, das Urteil annehmen und nicht in Berufung gehen.

Seine Behandlung hatte heftige Kritik an China und schwere diplomatische Verwicklungen mit Schweden ausgelöst. Auch die Bundesregierung und die Europäische Union haben sich wiederholt für ihn eingesetzt. Gui Minhai ist einer von fünf Buchhändlern aus Hongkong, die politisch heikle Bücher über China herausgegeben und vertrieben hatten, bis sie 2015 unter mysteriösen Umständen verschwanden. Alle fünf tauchten in China auf. Bis auf Gui Minhai sind alle wieder auf freiem Fuß.

Gui Minhai war im Oktober 2015 im Urlaub in Thailand verschwunden. Seine Familie geht davon aus, dass er von chinesischen Agenten verschleppt worden war. In Chinas Staatsfernsehen tauchte Gui Minhai später wieder auf und gab ein Geständnis ab, das nach Ansicht von Menschenrechtsgruppen nicht freiwillig erfolgte: Er habe vor mehr als zehn Jahren in China Fahrerflucht mit Todesfolge begangen und wolle seine Strafe antreten, gab er an. Doch auch nach dem Absitzen einer Haftstrafe im Oktober 2017 wurde Gui Minhai nach Angaben seiner Familie an der Ausreise aus China gehindert.

Das Verschwinden der Buchhändler hatte unter den sieben Millionen Hongkongern große Sorgen über ihre Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit ausgelöst, die auch zu den Gründen für die seit Sommer 2019 anhaltenden Demonstrationen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion zählen. Aus Sicht der China-Kritiker zeigte sich hier der lange Arm der chinesischen Staatsorgane. Seit der Rückgabe der ehemals britischen Kronkolonie 1997 an China wird Hongkong nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» autonom regiert.

Auch internationale Menschenrechtsorganisationen hatten scharfe Kritik an Chinas Umgang mit Gui Minhai geübt. Ihm wurde im November der Tucholsky-Preis der schwedischen Sektion des PEN-Clubs verliehen worden. Der nach dem deutschen Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890-1935) benannte Preis wird jedes Jahr an verfolgte Schriftsteller verliehen.

Sein Fall hatte im Januar 2018 eine bizarre Wende genommen. Damals wurde Gui Minhai unter den Augen von zwei schwedischen Diplomaten von Sicherheitsbeamten in Zivil aus einem Zug nach Peking geholt und abgeführt. Er hatte sich nach schwedischen Angaben in der Botschaft wegen einer neurologischen Krankheit medizinisch untersuchen lassen wollen. Die schwedischen Behörden verurteilten die «brutale Intervention gegen einen Schweden». Die Diplomaten hätten ihm nur konsularische Unterstützung geleistet.

In einem arrangierten Interview im Februar 2018 gab Gui Minhai dann an, schwedische Diplomaten hätten ihn «angestiftet» und bedrängt, das Land zu verlassen. Am Ende sei er ihnen «auf den Leim gegangen». Er äußerte seine Hoffnung, jetzt in China leben zu können, sagte er. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen gingen allerdings davon aus, dass er das Interview nicht freiwillig gemacht habe.

Kurz darauf berichten chinesische Staatsmedien, er sei in Aktivitäten verwickelt, «die die nationale Sicherheit gefährden - darunter die illegale Weitergabe von Staatsgeheimnissen an ausländische Gruppen». Nach jetzigen Angaben des Gerichts in Ningbo hat Gui Minhai im selben Jahr einen Antrag auf Wiederherstellung seiner chinesischen Staatsbürgerschaft gestellt.

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