Kluges Regiedebüt von Daniel Brühl

Psychothriller «Nebenan»

Nächste Tür - Premiere - 71. Berlinale Sommer Special. Foto: epa/Andreas Rentz
Nächste Tür - Premiere - 71. Berlinale Sommer Special. Foto: epa/Andreas Rentz

BERLIN: Erstmals führt Daniel Brühl selbst Regie. Sein Film «Nebenan» entpuppt sich als Psychothriller - und setzt sich an einer Berliner Kneipentheke mit einem Thema auseinander, das viele Menschen in unserer Zeit umtreibt.

Es ist natürlich ein kluger Schachzug. Im Psychothriller «Nebenan» spielt Daniel Brühl einen Mann, dessen Biografie doch stark an ihn selbst erinnert. Nehmen wir die Anfangsszene: In einer Berliner Loftwohnung steht ein gut aussehender Schauspieler, der Daniel heißt und zufällig auch Spanisch kann. Er bereitet sich auf ein Vorsprechen für einen Superheldenfilm vor.

Weil Daniel noch etwas Zeit bis zum Abflug hat, wartet er in der Kneipe um die Ecke. Da hängt ein Werbeschild für «Schultheiss»-Bier und die Wirtin begrüßt ihn mit «Na, Meister». An der Theke wartet Bruno - gespielt von «Babylon Berlin»-Darsteller Peter Kurth. Während Daniel also telefoniert und wartet, spricht Bruno ihn an.

«Kann ich ein Autogramm haben?», fragt Bruno trocken. In den nächsten anderthalb Stunden wird Bruno nicht nur Daniels Arbeit demontieren («Naja, Sie machen das auch nicht gut»), sondern auch dessen Leben. Es wird böse und durchaus unterhaltsam.

Daniel Brühl spielt also selbstironisch einen Mann, der auch etwas mit ihm selbst zu tun hat, zumindest wenn man Biografisches anschaut. Der Schauspieler, der mit «Good Bye, Lenin!» in Deutschland bekannt geworden ist, hat es mittlerweile bis nach Hollywood geschafft. Nun hat er mit «Nebenan» erstmals selbst Regie geführt.

Der Film, der auf der Berlinale lief und nun ins Kino kommt, ist erstaunlich gut geworden. Vielleicht liegt das zu einem Teil daran, dass die Erwartungen gedämpft sind, wenn Schauspieler plötzlich zusätzlich die Regie übernehmen. Vor allem aber liegt es an den Schauspielerinnen und Schauspielern und der ziemlich guten Geschichte. Schriftsteller Daniel Kehlmann («Tyll») hat das Drehbuch geschrieben, nach einer Idee von Brühl.

Brühl kennt die Geschichten über Verdrängung in Großstädten - und das Gefühl, selbst ein Verdränger zu sein. «Nebenan» ist ein Film über Gentrifizierung und (fehlenden) Anstand, über Lebenswege und Ökonomie, über vermeintliche Erfolge und alltägliches Versagen. An der Theke wird schnell klar, dass Bruno sehr viel über Daniels Leben weiß. Er beobachtet ihn schon sehr lange.

Daniel entpuppt sich schon zu Anfang als Fatzke, der gerne so tut, als wäre er in seiner Stammkneipe. Dabei kennt er weder den Namen der Wirtin noch deren Sülze. Und Bruno kommt mit beiger Hose und Wörtern wie «Lügenpresse» daher. Es gehört zum Plus des Films, dass einem hinter diesen vermeintlichen Klischees eines eben nicht leicht gemacht wird: das Werten über andere.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.