Ausnahmen bei Arbeitsverbot von Frauen in NGOs

Foto: EPA-EFE/Stringer
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KABUL/GENF: Weil sie sich angeblich nicht regelkonform verschleiert haben sollen, wollen die Taliban für Frauen ein Arbeitsverbot in NGOs durchsetzen. Die Ankündigung hat heftige Reaktionen hervorgerufen. Nun soll es offenbar Ausnahmen geben.

Ein Arbeitsverbot der Taliban für Frauen in Nichtregierungsorganisationen sieht einem Sitzungsprotokoll zwischen Vertretern der UN und der islamistischen Führung in Afghanistan zufolge mehrere Ausnahmen vor. Weibliche Angestellte der Vereinten Nationen und ausländische Angestellte von NGOs seien davon ausgenommen sowie alle Frauen, die im Gesundheitsbereich arbeiteten, heißt es in einem Protokoll eines Treffens des Wirtschaftsministers der Taliban, Din Mohammed Hanif, mit dem geschäftsführenden Chef der UN-Mission in Afghanistan (Unama), Ramiz Alakbarov. Das Treffen fand am Montag statt, das Protokoll liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuerst hatte die ARD darüber berichtet. Die Taliban reagierten am Dienstag zunächst nicht auf eine Anfrage zu dem Treffen.

Das Arbeitsverbot hatte im Land und international heftige Reaktionen hervorgerufen. Mehrere für das Land wichtige Hilfsorganisationen, darunter das International Rescue Committee (IRC), die Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC) oder auch die Welthungerhilfe, setzten bereits ihre Arbeit aus. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte am Montag die Hilfe für das Land infrage gestellt.

Der Chef des UN-Menschenrechtsbüros, Volker Türk, warnte davor, dass Ausbildungs- und Arbeitsverbote für Frauen in Afghanistan die Gesellschaft des Landes destabilisieren und «schreckliche Dominoeffekte» auslösen könnten. «Diese unabschätzbaren Einschränkungen von Frauen und Mädchen werden nicht nur das Leid aller Menschen in Afghanistan vergrößern», warnte Hochkommissar Türk am Dienstag in Genf. «Ich fürchte, dass sie auch eine Gefahr außerhalb Afghanistans darstellen», sagte er und verwies damit indirekt auf das Risiko von weiteren Fluchtbewegungen.

Das Wirtschaftsministerium in Kabul hatte seine am Samstag veröffentlichte Forderung nach Suspendierung der Mitarbeiterinnen damit begründet, dass sich die Frauen angeblich nicht ordentlich verschleierten und damit gegen Vorschriften in dem islamischen Land verstießen. Dies bekräftigte Minister Hanif laut Protokoll auch gegenüber Alakbarov. Der Taliban-Minister sagte demnach, dass er das ganze Jahr über Fälle von Missachtung der Vorschriften zur Verschleierung von Frauen beobachtet habe. Er habe versucht, das Problem durch Dialog mit den NGOs zu lösen, bis die höhere Taliban-Führung davon erfahren habe. Sein Ministerium sei von der obersten Führung gebeten worden, den Brief an die NGOs auszustellen.

Aus NGO-Kreisen hieß es, derartige Vorwürfe seien nicht gerechtfertigt. Laut einer NGO in Kabul mit Büros in anderen Provinzen haben die Taliban nie ihre Gebäude betreten oder Autos mit weiblichen Angestellten an Kontrollpunkten angehalten, um die Einhaltung der Kleidervorschriften zu kontrollieren. Außerdem könnten männliche Taliban die Bürobereiche, in denen weibliche Mitarbeiter arbeiten, nicht betreten. Ein NGO-Mitarbeiter sagte auch, er habe noch nie von Beschwerden gehört, die andere NGOs in dieser Hinsicht erhalten hätten.

Die humanitäre Lage in Afghanistan gilt als prekär. Seit dem Abzug der internationalen Truppen ist die Wirtschaft kollabiert. Nach Angaben der Vereinten Nationen unterstützen die UN und ihre Partner, einschließlich nationaler und internationaler NGOs, derzeit mehr als 28 Millionen Afghanen, die für ihr Überleben von humanitärer Hilfe abhingen. In dem Land leben schätzungsweise 37 Millionen Menschen.


UN-Sicherheitsrat fordert Taliban zur Achtung von Frauenrechten auf

NEW YORK: Die Taliban haben NGOs aufgefordert, ihre Mitarbeiterinnen bis auf Weiteres zu suspendieren. Nun hat der UN-Sicherheitsrat auf die Anordnung reagiert und seinerseits Forderungen gestellt.

Nach der Anordnung eines Arbeitsverbots von Frauen in Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan hat der UN-Sicherheitsrat die Taliban aufgefordert, die Frauenrechte in dem Land zu achten. Das Gremium verlangte von den militanten Islamisten, Frauen und Mädchen eine «vollwertige, gleichberechtigte und sinnvolle Teilhabe» zu ermöglichen. Die Frauenpolitik der Taliban weise auf eine zunehmende Aushöhlung der Menschen- und Freiheitsrechte hin, hieß es in einer am Dienstag (Ortszeit) in New York veröffentlichten Erklärung.

Am Samstag hatten die Taliban angeordnet, NGOs müssten ihre Mitarbeiterinnen bis auf Weiteres suspendieren. Der Schritt löste weltweit Sorge und Kritik aus. Wenige Tag zuvor hatten die Islamisten mit sofortiger Wirkung Frauen von allen Universitäten verbannt. Schulbildung war für Mädchen von den Islamisten bereits wenige Monate nach ihrer Machtübernahme bereits eingeschränkt worden. Aktuell können sie nur bis zur sechsten Klasse die Schule besuchen. Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 haben die Islamisten Frauenrechte massiv eingeschränkt. Mädchen und Frauen sind vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen.

Der UN-Sicherheitsrat forderte die Taliban auf, die Schulen für Mädchen wieder zu öffnen. Das Arbeitsverbot von Frauen in NGOs und internationalen Organisationen habe erhebliche und unmittelbare Auswirkungen auf die humanitären Hilfsoperationen im Land, einschließlich derjenigen der Vereinten Nationen. Diese Beschränkungen stünden im Widerspruch zu den von den Taliban gegenüber dem afghanischen Volk eingegangenen Verpflichtungen sowie zu den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, hieß es weiter.

Die Direktorin der UN-Frauenorganisation UN Women, Sima Bahous, sagte, das Arbeitsverbot von Frauen in NGOs stelle einen weiteren eklatanten Verstoß gegen die Rechte von Frauen und humanitäre Grundsätze dar. «Wir verurteilen dies aufs Schärfste ohne Vorbehalt. Dies ist unbarmherzige Frauenfeindlichkeit, ein heftiger Angriff auf Frauen, ihren Beitrag, ihre Freiheit und ihre Stimme.»

Das Wirtschaftsministerium in Kabul hatte seine am Samstag veröffentlichte Forderung nach Suspendierung der Mitarbeiterinnen damit begründet, dass sich die Frauen angeblich nicht ordentlich verschleierten und damit gegen Vorschriften in dem islamischen Land verstießen.

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