Proteste am Flughafen vor Netanjahus Berlin-Reise

Demonstranten blockieren die Ayalon-Hauptstraße während einer Demonstration gegen die von der Regierung geplante Justizreform in Tel Aviv. Foto: epa/Abir Sultan
Demonstranten blockieren die Ayalon-Hauptstraße während einer Demonstration gegen die von der Regierung geplante Justizreform in Tel Aviv. Foto: epa/Abir Sultan

TEL AVIV: Während des Berlin-Besuchs von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu haben in Israel Zehntausende Menschen gegen die umstrittene Justizreform seiner Regierung protestiert. Die Organisatoren hatten zuvor zu «einem Tag des eskalierenden Widerstands» aufgerufen.

Unter anderem in der Küstenstadt Tel Aviv versammelten sich die Menschen bis in den Abend hinein an zahlreichen Orten. Teilweise kam es dabei zu Handgreiflichkeiten mit der Polizei. Die Demonstrantinnen und Demonstranten blockierten zeitweise auch die zentrale Verbindungsstraße nach Jerusalem. Es gab zudem mehrere Vorfälle mit Attacken von Passanten oder Autofahrern auf Demonstranten. Medienberichten zufolge wurden landesweit mindestens 20 Menschen festgenommen.

Netanjahus rechts-religiöse Regierung will die kontroverse Reform bis Ende des Monats im Schnellverfahren durchsetzen und damit gezielt die unabhängige Justiz schwächen. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung als Pfeiler der Demokratie in Gefahr. Israels Präsident Izchak Herzog hatte am Mittwochabend einen Kompromiss im Streit um die Justizreform vorgeschlagen. Während die Opposition Gesprächsbereitschaft signalisierte, wies Netanjahu den Vorschlag noch vor seiner Abreise nach Berlin zurück. Dort kam er am Donnerstag unter anderem mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen.

Bereits in der Nacht zeichneten Künstler in Jerusalem aus Protest eine dicke rote Linie auf der Straße, die zum Höchsten Gericht führt. Diese sollte die Verbindung zwischen einer unabhängigen Justiz und der Meinungsfreiheit symbolisieren. Reservisten der israelischen Marine blockierten unterdessen den Hafen der Küstenstadt Haifa mit Booten. «Die Marine wird nicht in eine Diktatur segeln», hieß es auf großen Bannern entlang der Boote.

In der strengreligiösen Stadt Bnei Brak eröffneten andere Reservisten eine «Musterungsstelle». Sie seien gekommen, «um die Last der Wehrpflicht an die ultra-orthodoxe Bevölkerung zu übergeben», teilten sie nach Medienberichten mit. Viele junge strengreligiöse Männer in Israel sind nicht bereit, in der Armee zu dienen. Dies sorgt in anderen Bevölkerungsteilen für großen Zorn.

Bei den Demonstrationen waren auch erneut zahlreiche Frauen in langen roten Mänteln und weißen Hauben zu sehen - in Anlehnung an Figuren der Fernsehserie «The Handmaid's Tale». Die Sendung basiert auf eine dystopische Geschichte über eine Diktatur, in der vor allem Frauen unterdrückt werden. Die Demonstrantinnen drücken so ihre Angst davor aus, Israel könnte bei einer Schwächung der Justiz politisch in eine solche Richtung gehen.

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