Internationaler Protest gegen Chefwechsel

Foto: wikimedia/Národní Galerie V Praze
Foto: wikimedia/Národní Galerie V Praze

PRAG (dpa) - Als Direktor hat Jiri Fajt der tschechischen Nationalgalerie ein modernes Profil gegeben und die Besucherzahlen nahezu verdoppelt. Nun wurde er überraschend entlassen. Prominente Kollegen aus Deutschland und aller Welt schlagen Alarm.

Die Prager Nationalgalerie hat sich in den letzten Jahren auch international einen Namen gemacht. Der chinesische Künstler Ai Weiwei stellte hier ebenso aus wie der Deutsche Gerhard Richter, einer der bedeutendsten und am teuersten gehandelten zeitgenössischen Künstler. Die plötzliche Abberufung des langjährigen Direktors der Galerie, Jiri Fajt, ist nun im In- und Ausland auf Unverständnis und Kritik gestoßen.

Als eine der Ersten erfuhr Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, von der Entlassung des 59-Jährigen. «Ich war total schockiert darüber», sagt die Kunsthistorikerin. Fajt habe die Modernisierung des Museums in gigantischen Schritten vorangebracht, indem er internationale Gegenwartskunst sichtbarer gemacht, sie aber zugleich mit jungen tschechischen Positionen verwoben habe.

Mit Fajt habe sie eng zusammenarbeitet, um die Nachbarschaft der beiden Städte Dresden und Prag zu nutzen, vom jeweils anderen zu lernen, Mitarbeiter auszutauschen und gemeinsame Projekte zu realisieren. «Ich fürchte, dass die politischen Kräfte in Prag vor Ort nicht erkennen, was das für einen Bruch bedeutet», sagt sie.

Nur wenige ahnten, dass die Ära Fajt nach weniger als fünf Jahren enden würde, als Kulturminister Antonin Stanek kurz vor Ostern vor die Fernsehkameras trat. Der Galeriedirektor habe sein Vertrauen verloren, sagte der Sozialdemokrat, warf Fajt schlechte Haushaltsführung vor und drohte mit Strafanzeige. Konktet kritisierte der frühere Bürgermeister von Olomouc (Olmütz) eine Honorarzahlung an Fajt über umgerechnet rund 46.000 Euro.

Fajt selbst sieht darin nur einen Vorwand. Neben seiner Tätigkeit als Manager habe er kreative und künstlerische Arbeiten ausgeführt, wie eine Multimediashow mit Werken des Fotografen Josef Koudelka zum Sowjeteinmarsch von 1968 oder ein neues Ausstellungskonzept für den Salm-Palais auf dem Prager Hradschin. «Dafür war mir ein Honorar zugesagt worden», sagt der Kunsthistoriker der Deutschen Presse-Agentur.

Er sieht hinter seiner Abberufung Druck von ganz oben. Präsident Milos Zeman habe seit Jahren versucht, bei den wechselnden Ministern seine Entlassung zu erreichen. Er habe seinerzeit Zemans Gegenkandidaten im Wahlkampf unterstützt, räumt Fajt ein. «Zudem stehe ich manchen Ansichten des Präsidenten Zeman sehr kritisch gegenüber, so seiner pragmatischen Gläubigkeit einem sogenannten Partner China gegenüber, seinem offenkundigen Anti-Islamismus, nicht zuletzt auch seiner doppelbödigen Kritik an der EU.»

Statt auf Kuschelkurs mit dem Staatsoberhaupt zu gehen, behauptete sich Fajt: Er empfing das geistliche Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, in der Nationalgalerie, und lud Ai Weiwei nach Prag ein. «Es folgte eine Schmutzkampagne sondergleichen, die stets meine wissenschaftliche Arbeit in Frage zu stellen versuchte», kritisiert Fajt. Als die renommierte Karls-Universität ihn zum Professor ernennen wollte, verweigerte Zeman seine Unterschrift.

Inzwischen haben mehr als 30 Museumsdirektoren eine Protestnote gegen Fajts Abberufung unterzeichnet, darunter Maria Balshaw von der Tate Britain in London und Max Hollein vom Metropolitan Museum of Art in New York. Zudem fordern mehr als 5.000 Menschen in einer Onlinepetition den Rücktritt des tschechischen Kulturministers.

Mehrere geplante Ausstellungsprojekte stehen auf der Kippe, wie die Sammlung des Maharadschas von Jodhpur oder Höhepunkte islamische Kunst aus der Sammlung Al-Sabah in Kuwait. Der neue Interims-Krisenmanager der Galerie, Ivan Moravek, ist ein Finanzmann, der als Manager einer Großbäckerei und im Straßenbauamt gearbeitet hat.

Vorerst will sich Fajt wieder auf seine Arbeit am Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa in Leipzig und als Privatdozent in Berlin konzentrieren. Auch schließt er nicht aus, seine Museumserfahrung andernorts einzusetzen. Die Dresdner Direktorin Ackermann sagt dazu: «Ich denke, dass er Möglichkeiten haben wird, aber es ist einfach jammerschade für die Nationalgalerie Prag.»

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