Macht ein Rechtspopulist das Rennen?

Jair Bolsonaro, ultrarechter Kandidat für das Amt des brasilianischen Präsidenten, kommt zu Stimmabgabe in ein Wahllokal. Foto: epa/Ricardo Moraes
Jair Bolsonaro, ultrarechter Kandidat für das Amt des brasilianischen Präsidenten, kommt zu Stimmabgabe in ein Wahllokal. Foto: epa/Ricardo Moraes

RIO DE JANEIRO (dpa) - Die Brasilianer haben die Nase voll von Korruption und Gewalt. Diese Wechselstimmung könnte den Rechtspopulisten Bolsonaro in den Präsidentenpalast tragen. Seine Anhänger feiern ihn als Retter des Landes - seine Gegner sehen in ihm eine Gefahr für die Demokratie.

Schicksalswahl im größten Land Lateinamerikas: Brasilien hat am Sonntag über einen neuen Staatschef abgestimmt. Favorit bei der Stichwahl war der Rechtspopulist Jair Bolsonaro, der immer wieder Minderheiten beleidigt und mit extremistischen Parolen provoziert. «Heute steht die Demokratie auf dem Spiel», sagte Gegenkandidat Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei nach der Stimmabgabe in São Paulo.

Bolsonaro gab am Morgen seine Stimme in Rio de Janeiro ab. Wie im Fernsehen zu sehen war, trug er eine kugelsichere Weste. Er wurde von zahlreichen Soldaten zu seinem Schutz begleitet. Anfang September war Bolsonaro bei einer Kundgebung von einem geistig verwirrten Mann mit einem Messer schwer verletzt worden.

In den jüngsten Umfragen lag der ultrarechte Ex-Militär mit 55 bis 54 Prozent vor seinem Konkurrenten Haddad. Zuletzt schrumpfte sein Vorsprung allerdings. «Ich hoffe, dass die Menschen verstehen, dass heute ein Tag des Friedens ist», sagte Haddad. «Viele einfache Leute gehen auf die Straße, um die Demokratie zu verteidigen.»

Bolsonaro verunglimpft immer wieder Frauen, Schwarze sowie Schwule und hegt Sympathie für die Militärdiktatur (1964-1985). «Bolsonaro macht mir Angst mit seinen faschistischen Ideen, mit den Dingen, die er über Minderheiten, Schwule und Schwarze sagt», erklärte die Wählerin Marisa in einem Wahllokal in Niterói im Großraum Rio de Janeiro.

Allerdings profitiert Bolsonaro von der Wut vieler Brasilianer über die jüngsten Korruptionsskandale und die zunehmende Gewalt. Fast die gesamte Politelite ist in Schmiergeldaffären verwickelt. Obwohl er selbst seit fast drei Jahrzehnten in der Politik mitmischt und für neun verschiedene Parteien im Parlament saß, ist es ihm gelungen, sich als Anti-System-Kandidat zu präsentieren.

Zudem hat er den Kampf gegen die Kriminalität in den Mittelpunkt seines Wahlkampfs gestellt. Im vergangenen Jahr wurden in Brasilien über 63.000 Menschen getötet. Die großen Armenviertel, die Favelas, werden von mächtigen Verbrechersyndikaten kontrolliert. Aber auch in den besseren Vierteln kommt es immer wieder zu Entführungen und Überfällen.

Dieser Wechselstimmung hat der linke Kandidat Haddad wenig entgegenzusetzen. Das Image seiner Arbeiterpartei ist nach Lateinamerikas größter Schmiergeldaffäre «Lava Jato» (Autowäscherei) schwer beschädigt. Sein politischer Ziehvater, Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, sitzt wegen Korruption im Gefängnis.

Brasilien ist tief gespalten. Im Wahlkampf kam es zu Übergriffen auf politische Gegner, die Sprache verrohte zunehmend, Bolsonaros Anhänger sehen in Haddad einen gefährlichen Kommunistin und die Linken in Bolsonaro einen skrupellosen Faschisten. «Unabhängig davon, wer gewählt wird: Das brasilianische Volk, das an die Idee der Solidarität glaubt, wird sich ab dem heutigen Tag wieder verbrüdern», sagte der scheidende Präsident Michel Temer.

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