Populistische Babis-Partei gewinnt Regionalwahlen

Der tschechische Premierminister Andrej Babis mit einer schützenden Gesichtsmaske, nimmt in Prag an einem Briefing mit Medienvertretern teil. Foto: epa/Stephanie Lecocq
Der tschechische Premierminister Andrej Babis mit einer schützenden Gesichtsmaske, nimmt in Prag an einem Briefing mit Medienvertretern teil. Foto: epa/Stephanie Lecocq

PRAG: Überschattet von der Corona-Krise sind in Tschechien Regionalparlamente gewählt worden. Die Abstimmung galt als wichtiger Stimmungstest vor der Parlamentswahl im nächsten Jahr. Für eine Überraschung sorgten die Piraten.

In Tschechien hat die populistische Regierungspartei ANO von Ministerpräsident Andrej Babis die Regionalwahlen überraschend klar gewonnen. Die Abstimmung galt als wichtiger Stimmungstest vor der Parlamentswahl im nächsten Jahr. Die Bewegung erhielt mit 21,8 Prozent insgesamt die meisten Stimmen. Sie lag in zehn der 13 Regionen an erster Stelle - eine mehr als vor vier Jahren, wie aus dem vorläufigen Endergebnis hervorging. Bei der Abstimmung am Freitag und Samstag galten wegen der Corona-Pandemie strenge Hygieneregeln.

«Das gibt mir einen Schuss Energie, weiter in der Politik zu kämpfen», sagte Babis. Kritiker werfen dem Multimilliardär vor, als Unternehmer selbst von staatlichen Fördergeldern zu profitieren. Kurz vor der Wahl war der 66-Jährige noch wegen seines Corona-Krisenmanagements unter Druck geraten. Tschechien verzeichnete mit 3793 Fällen am Freitag einen Rekord bei den täglichen Corona-Neuinfektionen. Mehr als 700 Menschen starben bisher. Am Montag tritt in dem EU-Land der nationale Notstand in Kraft.

Nach den Wahlen zeichnete sich ab, dass dem Sieger ANO in zahlreichen Regionen schwere Koalitionsverhandlungen drohen. Alle seien gegen Babis, beklagte sich der ANO-Gründer in einer ersten Reaktion. Stärkste Oppositionspartei wurden mit zwölf Prozent der Stimmen überraschend die tschechischen Piraten. Die mitregierenden Sozialdemokraten (CSSD) stürzten auf rund fünf Prozent der Stimmen ab. Parteichef Jan Hamacek lehnte indes einen Rücktritt ab. Die Wahlbeteiligung lag nur bei knapp 38 Prozent, ähnlich niedrig wie 2016.

Stärkste Kraft wurde die ANO auch in der Aussiger Region (Ustecky kraj) an der Grenze zu Sachsen. Der als beliebt geltende kommunistische Regionspräsident Oldrich Bubenicek war nicht mehr angetreten. Wer die Spitzenposition in den Grenzregionen innehat, hat nach Einschätzung des Soziologen Jan Herzmann großen Einfluss auf die Kooperation mit Deutschland: «Dort, wo die Regionalregierung diese Zusammenarbeit unterstützt, sind die Beziehungen intensiver - da könnte man noch vieles tun.»

Zugleich wurde am Freitag und Samstag in einem Drittel der 81 Wahlbezirke zum Senat, dem Oberhaus des Parlaments, gewählt. Nur einer der Bewerber erhielt direkt die absolute Mehrheit. Mehrere konservative Oppositionsparteien ziehen zusammengerechnet mit den meisten Kandidaten in die zweite Runde ein. Die Opposition hat auch derzeit schon die klare Mehrheit in der zweiten Kammer. Die Stichwahl findet in einer Woche statt. Der Senat hat ein Mitspracherecht bei der Gesetzgebung und kann Verfassungsänderungen verhindern.

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