Polizei erschießt mutmaßlichen Terroristen - Merkel sagt Schutz zu

Foto: epa/Michael Kappeler
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MAILAND/BERLIN (dpa) - Der wegen des Berliner Lastwagen-Anschlags europaweit gesuchte Tunesier Anis Amri ist auf seiner Flucht von einer Polizeistreife bei Mailand erschossen worden. Generalbundesanwalt Peter Frank betonte am Freitag, nach dem Tod des mutmaßlichen islamistischen Terroristen sei «von großer Bedeutung», ob er ein Unterstützernetzwerk, Mitwisser oder Gehilfen hatte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte eine rasche Überprüfung an, «inwieweit staatliche Maßnahmen verändert werden müssen». Sie dringt auf schnellere Abschiebungen nach Tunesien.

Der 24-Jährige habe am Freitagmorgen bei einer Routineüberprüfung durch zwei junge Polizeibeamte «ohne zu zögern» seine Waffe gezogen und gefeuert, sagte Italiens Innenminister Marco Minniti in Rom. Der Tunesier soll zuvor mit dem Zug über Frankreich nach Italien gereist sein. Am Bahnhof Sesto San Giovanni im Großraum Mailand begegnete er um etwa 03.30 Uhr den Polizisten, die ihn beim Schusswechsel töteten. Ein an der Schulter getroffener 36-jähriger Polizist schwebe nicht in Lebensgefahr, sagte Minniti. Amri hatte jahrelang in Italien gelebt, zeitweise in Haft.

Das IS-Sprachrohr Amak veröffentlichte am Freitag ein Video, auf dem der mutmaßliche Berlin-Attentäter zu sehen sein soll. In der knapp dreiminütigen Aufnahme schwört Amri dem Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, die Treue. Die Echtheit der des Videos, das in Berlin aufgenommen worden sein könnte, konnte zunächst nicht unabhängig bestätigt werden.

Für die Bundesanwaltschaft sei «vor allem auch von Interesse, ob die Waffe, die bei Anis Amri in Mailand gefunden wurde, die Tatwaffe von Berlin ist», sagte Frank. Nach dem Mann war seit Donnerstag mit deutschem Haftbefehl gefahndet worden. Amri soll am Montagabend in Berlin mit einem gestohlenen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast sein. Dabei starben mindestens zwölf Menschen, 53 wurden teilweise lebensgefährlich verletzt. Amris Fingerabdrücke wurden mehrfach an dem Lkw sichergestellt.

Justizminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigten rasche Beratungen über Konsequenzen aus dem Terroranschlag an. Bei den Gesprächen werde es im Januar «insbesondere um die Fragen gehen, wie Ausreisepflichtige so schnell wie möglich abgeschoben werden und wie Gefährder noch besser überwacht werden können», sagte Maas. Deutsche Sicherheitsbehörden hatten den Tunesier als Gefährder im Blick. De Maizière verwies auf seinen «längst» vorliegenden Gesetzentwurf zur Abschiebehaft bei ausreisepflichtigen Gefährdern und zur Ausgestaltung der Duldung. «Darüber hinaus werde ich mir vorbehalten, weitere Vorschläge zu unterbreiten, um Deutschland noch sicherer zu machen.»

Merkel erklärte, sie habe mit dem tunesischen Präsidenten Beji Caid Essebsi telefoniert. «Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass wir den Rückführungsprozess (...) noch deutlich beschleunigen und die Zahl der Zurückgeführten weiter erhöhen müssen.» Bei der Frage der Rückführungen habe es im laufenden Jahr bereits Fortschritte gegeben. Nach dem Anschlag war bekannt geworden, dass eine Abschiebung Amris gescheitert war, weil er keinen Pass hatte. Merkel würdigte das Eingreifen der italienischen Behörden. «Unser großer Dank geht an die italienische Polizei und die übrigen Kräfte von Sicherheit und Justiz für die denkbar engste Zusammenarbeit in diesem Fall.»

Auf Amris Spur waren die Berliner Ermittler gekommen, als sie in dem Lastwagen seine Duldungspapiere fanden. Der 2015 über Freiburg nach Deutschland eingereiste Tunesier war Medienberichten zufolge in Italien und seinem Heimatland zu Haftstrafen verurteilt worden.

Merkel betonte am Freitag, bei aller momentanen Erleichterung bestehe die Gefahr des Terrorismus «wie seit vielen Jahren weiter». Für sie selbst wie für die gesamte Bundesregierung sei es oberste Pflicht des Staates, die Bürger zu schützen. Merkel fügte hinzu: «Unsere Demokratie, unser Rechtsstaat, unsere Werte, unsere Mitmenschlichkeit - sie sind der Gegenentwurf zur hasserfüllten Welt des Terrorismus. Und sie werden stärker sein als der Terrorismus.»

Die deutschen Behörden überprüften nach dem Anschlag von Berlin Sicherheitsmaßnahmen auf allen Ebenen und verstärkten sie vielfach, bekräftigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. «Gehen Sie ganz generell davon aus, dass alle Behörden in Bund und Ländern nach solchen Anschlägen alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen noch einmal durchgehen, sozusagen jeden Stein umdrehen.» Welche Schritte nach dem Anschlag im Detail ergriffen worden seien, wolle er nicht sagen - damit Menschen, die etwas planten, davon nichts erführen.

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Jürgen Franke 25.12.16 20:48
Unglaublich, wenn man erfahren muß,
dass wir Menschen in unserem Land haben, denen wir "Duldungspapiere" geben. Diese Personen gehören, wenn sie nicht abgeschoben werden können, weil das entsprechende Land sich weigert, den eigenen Bürger wieder aufzunehmen, in ein Gefängnis. Und immer noch laufen 500 "Gefährder" frei durch das Land. In der Türkei wäre so etwas sicherlich nicht möglich
Jürgen Franke 24.12.16 13:28
Deutschland wird ein Lager benötigen, wo die
Personen untergebracht werden können, die kein Bleiberecht erhalten haben, die jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen nicht abgeschoben werden können. Es ist eigentlich doch erschreckend, wie hoch der Anteil dieser Emigranten ist, der bereits straffällig wurden. Die Bezeichnung Konzentrationslager wird man sicherlich nicht verwenden können, aber auch dieser Personenkreis muß bewacht, und vor den Bürgern bedauerlicherweise beschützt werden..
Jack Norbert Kurt Leupi 24.12.16 13:16
Merkel sagt Schutz zu
Merkel`s Politik ist Krieg ohne Blutvergiessen , aber dieser " ihr " Krieg hat zu Blutvergiessen geführt ! In Zukunft müssen die "Herrschenden" wieder überwacht werden und nicht die "Beherrschten " ! Merkel gehört in die Zwangsjacke gesteckt ,denn sie kann die Realität nicht mehr erkennen, weil sie realitätsfremd geworden ist !