Politik will Strafzinsen für Kleinsparer einen Riegel vorschieben

Geldscheine (Euro) liegen in einem Sparbuch. Bayerns Ministerpräsident Söder will Strafzinsen für Kleinsparer gesetzlich verbieten lassen. Foto: Daniel Karmann/Dpa
Geldscheine (Euro) liegen in einem Sparbuch. Bayerns Ministerpräsident Söder will Strafzinsen für Kleinsparer gesetzlich verbieten lassen. Foto: Daniel Karmann/Dpa

FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Müssen Kleinsparer bald Strafzinsen auf ihre Guthaben bei Banken zahlen? Die Politik will das unter allen Umständen verhindern. Nun wird sogar ein gesetzliches Verbot solcher Negativzinsen geprüft.

Die Bundesregierung lotet ein mögliches Verbot von Strafzinsen für Kleinsparer aus. Das Finanzministerium habe eine Prüfung veranlasst, «ob es der Bundesregierung rechtlich überhaupt möglich ist, Kleinsparer vor solchen Negativzinsen zu schützen», sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) der Funke Mediengruppe (Donnerstag). «Diese Prüfung ist aber kompliziert und wird etwas dauern.» Zweifel an der Sinnhaftigkeit gibt es bereits.

Scholz reagierte auf einen Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident hatte eine Bundesratsinitiative angekündigt mit dem Ziel, Beträge bis 100 000 Euro grundsätzlich von solchen Strafzinsen auszunehmen. Notwendig sei ein gesetzliches Verbot, die Negativzinsen auf Kleinsparer umzulegen, hatte Söder am Mittwoch gefordert. Banken müssten ihre Kosten anders ausgleichen. «Sparen muss belohnt und darf nicht bestraft werden», sagte Söder.

Geschäftsbanken müssen seit Mitte Juni 2014 Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Derzeit verlangt die EZB 0,4 Prozent Strafzinsen. Damit wollen die Währungshüter die Kreditvergabe und so die Wirtschaft im Euroraum ankurbeln. Allein Banken in Deutschland kostet der Negativzins rund 2,3 Milliarden Euro im Jahr.

Einzelne Institute geben die Strafzinsen der EZB bereits seit einiger Zeit an Unternehmen oder große Investoren wie Fonds weiter. Und selbst reiche Privatkunden werden in manchem Haus zur Kasse gebeten. Das Gros der Privatkunden jedoch ist bis dato von Strafzinsen verschont geblieben - zu groß ist die Sorge, Kunden zu verprellen.

Doch die Andeutung von EZB-Präsident Mario Draghi, dass die Notenbank den negativen Einlagenzins verschärfen könnte - womöglich schon in ihrer nächsten Zinssitzung am 12. September - hat die Branche alarmiert. «Es könnte sein, dass viele Banken auf Dauer nicht mehr umhinkönnen, die zusätzlichen Belastungen auch in der Breite an Privatkunden weiterzugeben», sagte jüngst der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Andreas Krautscheid.

Ähnliche Stimmen kamen aus dem Lager der Genossenschaftsbanken: «Es wird für Banken immer schwerer, bei anhaltenden Negativzinsen eine angemessene Profitabilität im Kundengeschäft sicherzustellen», sagte die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak, im Juli. «Insbesondere, wenn auf die Weitergabe der negativen Zinsen im Mengengeschäft verzichtet wird.»

Die Deutsche Kreditwirtschaft betonte nach dem Söder-Vorstoß, Banken und Sparkassen kalkulierten wie anderen Kaufleute auch ihre Preise und Entgelte auf Grundlage des Marktumfeldes in eigener Verantwortung. «Gesetzliche Verbote sind systemfremd, helfen den Kunden nicht weiter und können letztlich zu einer gefährlichen Instabilität der Finanzmärkte führen», erklärte die Interessenvertretung der Spitzenverbände von Banken und Sparkassen.

Der Ökonom Marcel Fratzscher lehnt ein Verbot von Negativzinsen für Kleinsparer ab. Die Forderung sei «populistisch» und gehe «völlig an der Realität vorbei», sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der «Passauer Neuen Presse». Auch Fratzscher warnte vor weitreichenden Folgen eines Verbots: «Im Extremfall könnte das zur Destabilisierung des deutschen Bankensystems führen.»

Verbraucherschützer halten ebenfalls wenig von den Erwägungen. «Ein Gesetz gegen Negativzinsen ist gut gemeint, hätte aber vor allem Symbolcharakter», sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Klaus Müller, der «Augsburger Allgemeinen».

Dagegen äußerte der stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Fabio De Masi: «Strafzinsen für Kleinsparer untergraben das Vertrauen in die Einlagensicherung und gehören untersagt.»

Aus Sicht der FDP wäre ein Verbot von Strafzinsen für Kleinsparer völlig unzureichend. «Angesichts hunderter Milliarden, die deutsche Sparer durch die Niedrigzinsen verloren haben, wäre das bestenfalls eine Beruhigungspille», sagte FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg.

Bundesfinanzminister Scholz nannte Negativzinsen eine echte Belastung für private Sparer: «Ich finde es keine gute Idee, wenn Banken Strafzinsen erheben für Guthaben auf Girokonten oder Tagesgeldkonten. Am besten wäre es, wenn die Banken das einfach lassen.»

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