Polit-Beben lässt Börse einbrechen

Foto: epa/Joédson Alves
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SÃO PAULO (dpa) - Lateinamerikas größte Volkswirtschaft in schweren Turbulenzen: Der von den Märkten als Hoffnungsträger gefeierte Präsident Brasiliens Temer droht nun, über einen Skandal zu stürzen. Die Aktien stürzen ab.

Brisante Enthüllungen und Spekulationen über einen Rücktritt von Brasiliens Präsident Michel Temer haben die Börse des fünftgrößten Landes der Erde am Donnerstag zu Handelsbeginn abstürzen lassen.

Der Leitindex Ibovespa mit den Werten von rund 70 Unternehmen fiel an der Börse in São Paulo um bis zu 15 Prozent, der Handel musste immer wieder ausgesetzt werden. Der US-Dollar wurde so stark wie seit Monaten nicht mehr im Vergleich zur Landeswährung Real notiert, der Kurs lag bei bis zu 3,43 Real für einen Dollar. Aktien des Energiekonzerns Petrobras fielen um bis zu 20 Prozent, die Papiere der Banco do Brasil um 25 Prozent. In einem ungewöhnlichen Schritt teilte die Zentralbank mit, dass sie die Lage aufmerksam beobachte und notfalls interveniere.

Analysten rieten zur Vorsicht bei Kauf von Brasilien-Papieren. Es bestehe die Gefahr, dass nun auch die Reformen zur Wiederbelebung der Wirtschaft ins Stocken geraten. An den Märkten genoss Temer weit mehr Vertrauen als seine 2016 des Amtes enthobene linke Vorgängerin Dilma Rousseff. Brasilien, bis 2015 noch siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt, befindet sich in einer tiefen Rezession. 2015 sank das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent, 2016 um 3,6 Prozent.

13,5 Millionen Menschen sind arbeitslos, die Arbeitslosenquote liegt nach offiziellen Angaben bei rund 12 Prozent. Zuletzt gab es aber Anzeichen einer leichten Besserung, und die Märkte begrüßten Temers Privatisierungspläne etwa bei großen Flughäfen sowie einschneidende Arbeitsmarktreformen, die Unternehmen mehr Freiheiten geben sollen.

Ausgangspunkt des Skandals ist ein Treffen Temers mit Joesley Batista - ihm gehört der größte Fleischkonzern der Welt, JBS. Temer soll dabei grünes Licht gegeben haben, den inhaftierten Ex-Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha mit einer Geldzahlung zum Schweigen zu bringen. Cunha gilt als einer der bestinformierten Politiker, wenn es um all die Verwicklungen des Lava-Jato-Skandals geht - führende Unternehmen zahlten jahrelang Schmiergelder, um an Aufträge zu kommen.

Anschließend soll der Abgeordnete Rodrigo Rocha Loures, ein Vertrauter Temers, dabei gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit 500.000 Reais (146.000 Euro) entgegennahm - das Geld soll von Joesley Batista stammen, hieß es. Dieser wiederum hatte die Gespräche mit Temer den Berichten zufolge mitgeschnitten und sich - um womöglich von einer Kronzeugenregelung zu profitieren - an einen Richter des Obersten Gerichtshofs gewandt. Nach Angaben des Portals «Folha de S. Paulo» soll Staatspräsident Temer zudem Joesley Batista über eine bevorstehende Zinssenkung der Zentralbank informiert haben.

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