WARSCHAU: Polen erinnert an den Beginn des deutschen Überfalls am 1. September 1939. Bei der Gedenkfeier in Wielun fordert Präsident Duda erneut Entschädigung von Deutschland.
Bei der Gedenkfeier zum 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf sein Land hat Polens Präsident Andrzej Duda erneut Entschädigung von Deutschland für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden gefordert. «Vergebung und Schuldanerkenntnis sind eine Sache, Wiedergutmachung des Schadens eine andere», sagte Duda in der polnischen Kleinstadt Wielun. «Und diese Frage ist immer noch nicht geklärt, und das seit 80 Jahren, wenn man die Zeit des Zweiten Weltkriegs mitzählt.»
Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 gilt als Beginn des Zweiten Weltkrieges. Noch vor dem Beschuss der Westerplatte bei Danzig wurde das Städtchen Wielun nahe der damaligen deutsch-polnischen Grenze von der deutschen Luftwaffe bombardiert. Schätzungen gehen von bis zu 1200 getöteten Zivilisten aus, die allein bei diesem Angriff ums Leben kamen. Während des gesamten Zweiten Weltkriegs kamen in Polen nach Schätzungen bis zu sechs Millionen Menschen ums Leben, die Hauptstadt Warschau wurde vollkommen zerstört.
Präsident Duda stammt aus den Reihen der nationalkonservativen PiS, die in Polen von 2015 bis 2023 führte. Die PiS-Regierung hatte seinerzeit das Verhältnis zu Berlin mit antideutschen Tönen und Reparationsforderungen in Höhe von 1,3 Billionen Euro zerrüttet.
Doch auch für die seit Dezember amtierende Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk ist das Thema Weltkriegsentschädigungen nicht vom Tisch. Bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen Anfang Juli kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Hilfe für überlebende Opfer der deutschen Besatzung in Polen an. Konkrete Zahlen nannte er nicht.
Polens Regierungschef Donald Tusk erinnerte unterdessen auf der Westerplatte bei Danzig an die Ereignisse in den frühen Morgenstunden am 1. September 1939. Das deutsche Militärschiff SMS «Schleswig-Holstein» hatte um 4.45 Uhr mit dem Beschuss der Halbinsel vor dem Danziger Hafen begonnen. Die polnische Armee hatte dort ein Munitionsdepot, das festungsartig ausgebaut war.
Heute komme der Krieg aus dem Osten, sagte Tusk mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. «Heute sagen wir nicht: «Nie wieder Krieg.» Heute müssen wir sagen: «Nie wieder Einsamkeit». Es darf in der Geschichte nie mehr vorkommen, dass Polen der Aggression des einen oder anderen Nachbarn allein die Stirn bietet.» Deshalb modernisiere Polen seine Armee und setze auf EU und Nato.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) unterstrich auf X die Versöhnung von Deutschen und Polen in den vergangenen Jahrzehnten: «Unsere deutsch-polnische Freundschaft wird getragen von allen Polen, die sich die Kraft bewahrten, füreinander Menschen zu sein. Das ist uns Verantwortung & Pflicht, aus dem Bewusstsein um unsere Vergangenheit heraus unsere Freundschaft im Herzen Europas zu leben.»