Polen verabschiedet sich von umstrittener Disziplinarkammer

Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Unabhängigkeit der polnischen Richter. Foto: epa/Julien Warnand
Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Unabhängigkeit der polnischen Richter. Foto: epa/Julien Warnand

WARSCHAU: Die umstrittene Disziplinarkammer für Richter in Polen ist praktisch Vergangenheit. Nach der Unterzeichnung durch Präsident Andrzej Duda wurde das Gesetz zur Auflösung der Kammer am Dienstag im Gesetzesanzeiger des EU-Landes veröffentlicht. Es tritt zum 15. Juli in Kraft.

Die Abschaffung der Disziplinarkammer zählt zu den Bedingungen, von denen die EU-Kommission die Freigabe von milliardenschweren Corona-Finanzhilfen für Polen abhängig gemacht hat. Die Brüsseler Behörde teilte am Dienstag mit, sie werde das Gesetz zur Auflösung sorgfältig prüfen.

Die 2018 eingeführte Kammer am Obersten Gerichtshof war ein Herzstück der Justizreform, die die nationalkonservative PiS-Regierung betreibt. Sie konnte jeden Richter bestrafen und entlassen. Im Juli vergangenen Jahres hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass Polen damit gegen europäisches Recht verstößt. Anstelle der Disziplinarkammer will Polen nun eine «Kammer für berufliche Verantwortung» einrichten. Die bislang dort tätigen Richter können in eine andere Kammer oder den Ruhestand wechseln.

Die EU-Kommission hatte sich Anfang des Monats nach langem Streit mit der polnischen Regierung auf einen Plan für die Auszahlung der Corona-Hilfen geeinigt. Das Land kann auf mehr als 35 Milliarden Euro hoffen. Die Genehmigung des Plans war immer wieder verschoben worden, weil Brüssel eklatante Mängel im polnischen Rechtsstaat kritisierte und Reformen forderte. Aus dem Europaparlament gibt es heftige Kritik an der Entscheidung der EU-Kommission, den Aufbauplan nun zu billigen.

Eine Sprecherin der Behörde betonte am Dienstag, Gelder könnten erst dann ausgezahlt werden, wenn Polen die eingegangenen Verpflichtungen erfüllt habe. Unnachgiebig zeigte sich Polens Justizminister Zbigniew Ziobro, unter dessen Federführung die umstrittenen Justizreformen initiiert wurden. «Die Gesetzesnovelle wurde vom Präsidenten als Antwort auf die Erpressung Brüssels vorgelegt und wird nichts zum Besseren verändern», sagte er. Die Änderungen werden nach seinen Worten die Situation der polnischen Justiz nicht erleichtern, sondern erschweren.

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