Pinguine trainieren für die Wissenschaft

Fit für Hörtests

Biologin Helen Rößler füttert auf der Felsenanlage im Ozeaneum die Humboldtpinguine. Die Biologen erforschen wie gut die Seevögel hören können und in welchen Frequenzbereichen und Lautstärken. Foto: Jens Büttner/Dpa-zentralbild/dpa
Biologin Helen Rößler füttert auf der Felsenanlage im Ozeaneum die Humboldtpinguine. Die Biologen erforschen wie gut die Seevögel hören können und in welchen Frequenzbereichen und Lautstärken. Foto: Jens Büttner/Dpa-zentralbild/dpa

STRALSUND (dpa) - Wie gut Pinguine hören können, wird derzeit in Stralsund und Rostock erforscht. Bevor es mit den Hörtests losgehen konnte, mussten die Wissenschaftler den Vögeln erst mal klarmachen, was sie von ihnen wollen.

Pinguin Lemmy im Stralsunder Ozeaneum ist neugierig - ihn interessiert alles, was glitzert und in seinen Schnabel passt. Kein Wunder, würde Lemmy in freier Natur doch im Wasser blinkende Fische jagen. Am Ozeaneum des Deutschen Meeresmuseums Stralsund bekommen er und drei weitere Humboldt-Pinguine ihre Sprotten nicht ohne Gegenleistung: Sie arbeiten im Dienste der Wissenschaft.

Im Auftrag des Umweltbundesamtes (Uba) werde mit ihnen die Hörfähigkeit von Pinguinen an der Luft und unter Wasser untersucht, erklärt die Meeresbiologin Helen Rößler vom Deutschen Meeresmuseum, das das Projekt koordiniert. Über das Hörvermögen der Tiere sei wenig bekannt, sagt Uba-Forscherin Heike Herata. «Wir wissen, dass sie unter Wasser hören, aber nicht, in welchen Frequenzbereichen. Wir wissen auch nicht, welche Auswirkungen Lärm auf die Tiere hat.»

In der Antarktis und Subantarktis verursachen die Echolote von Schiffen Lärm, vor allem aber Schallkanonen, sogenannte Airguns. Mit ihnen wird durch Schallwellen die Beschaffenheit des Meeresbodens erforscht. Herata zufolge ist unklar, wie sensibel Pinguine auf Unterwasserschall reagieren. Laut Umweltschutzprotokoll zum Antarktis-Vertrag sind Pinguine wie Wale und Robben vor Störungen durch Unterwasserschall und andere menschliche Einflüsse zu schützen.

Das Projekt «Hearing in Penguins» läuft bis zum Frühjahr 2021. Es soll klären helfen, ob und ab welcher Stärke Lärm Pinguine stresst. Das Fluchtverhalten allein sei kein Indiz, weil Pinguine ihr Nest nicht einfach im Stich lassen, wie Rößler sagt. Sie untersucht das Hören an Land. Im Marine Science Center Rostock testet eine Forscherin das Hörvermögen unter Wasser. Die flugunfähigen Vögel sind exzellente Schwimmer und perfekt an das Leben im Wasser angepasst.

Für die Tests mussten Lemmy und seine Artgenossen zunächst an den Menschen gewöhnt werden und lernen, sich mitzuteilen. Intelligent genug dafür seien sie, sagt Rößler. Die vier Humboldt-Pinguine, zwei Männchen und zwei Weibchen, waren 2017 und 2018 in Stralsund geschlüpft, ebenso wie die Tiere, die in Rostock auf die Hörtests vorbereitet werden.

Im Ozeaneum watscheln die etwa 60 Zentimeter großen Vögel dreimal täglich zu den Mahlzeiten aus der Freiluftanlage in den Versuchsraum. Lemmy, mit bald drei Jahren der älteste und der gewitzteste, holt sich seine Streicheleinheiten und die ersten halben Sprotten, bevor er auf die Waage steigt - 4900 Gramm. Auch in die Schallkammer geht er freiwillig. Bei jedem eingespielten Tonsignal, das Lemmy hört, drückt er mit dem Schnabel gegen eine runde Scheibe. Ein Pfeifen Rößlers ist die erste Belohnung. Später gibt es Sprotten.

In Rostock trainiert Tabea Lange vom Marine Science Center der Universität ebenfalls vier Pinguine. Sie tauchen in rund 1,5 Meter Tiefe durch eine Reihe von Ringen, die über eine Lichtschranke einen Ton aus einem Unterwasserlautsprecher auslösen. «Hat das Tier keinen Reiz vernommen, taucht es geradeaus durch den nächsten Ring weiter. Hat es dagegen den Ton gehört, biegt es nach links ab und taucht dort durch einen alternativen Ring», erläutert die Wissenschaftlerin.

An Land sind die Pinguine jetzt bereit für die ersten Hörtests. «Sie verstehen schon ganz gut, was wir von ihnen wollen», sagt Rößler. In den kommenden Monaten werden ihnen Töne in verschiedenen Frequenzen und Lautstärken vorgespielt. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wo die Hörschwelle liegt, also ab welcher Lautstärke die Vögel einen Ton erkennen.

Die Unterwasser-Hörtests folgen später. Ein Grund dafür: Die Rostocker Pinguine hatten sich im vorigen Sommer eine Trainingsauszeit verschafft. «Sie haben wochenlang erfolgreich lebenden Fisch in ihrem Becken gejagt», sagt Lange. Die Anlage am Yachthafen Hohe Düne ist nur durch Netze von der Ostsee getrennt - und die Pinguine jagten lieber selbst, statt sich füttern und damit für das Training belohnen zu lassen.

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