Bericht stützt schottische Regierungschefin

Parlament nicht belogen: 

Nicola Sturgeon (L) MSP Erste Ministerin von Schottland. Foto: epa/Fraser Bremner
Nicola Sturgeon (L) MSP Erste Ministerin von Schottland. Foto: epa/Fraser Bremner

EDINBURGH: Hat Nicola Sturgeon das schottische Parlament getäuscht? Ja, sagt die Opposition und fordert den Rücktritt der «Ersten Ministerin». Nein, sagt Sturgeon selbst - und bekommt nun unabhängige Rückendeckung. Doch ganz aus dem Schneider ist die Politikerin noch nicht.

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hat in einer Affäre um Irreführung des Parlaments einen wichtigen Punktsieg erzielt. Die 50-Jährige habe weder das Parlament belogen noch einen Verhaltenskodex gebrochen, stellte ein am Montag veröffentlichtes unabhängiges Gutachten fest. Ansonsten wäre erwartet worden, dass die Befürworterin einer Unabhängigkeit von Großbritannien von ihrem Posten zurücktritt.

Ex-Regierungschef Alex Salmond - der politische Ziehvater Sturgeons - war vor rund einem Jahr von Vorwürfen der versuchten Vergewaltigung und der sexuellen Belästigung freigesprochen worden. Salmond wirft seiner ehemaligen Verbündeten vor, sie habe ihn politisch kaltstellen wollen. Die Opposition behauptet, die Regierungschefin habe Einfluss auf die Untersuchungen der Justiz genommen und das Parlament in die Irre geführt.

Sturgeon begrüßte die «umfassende, evidenzbasierte und eindeutige» Schlussfolgerung von Rechtsanwalt James Hamilton. «Ich habe in jeder Phase versucht, integer und im öffentlichen Interesse zu handeln», sagte sie. An diesem Dienstag muss sich die Regierungschefin noch einem Misstrauensantrag stellen. Allerdings kündigten die Grünen an, den Antrag der oppositionellen Konservativen nicht zu unterstützen. Damit scheint eine Mehrheit in weiter Ferne. Zudem soll der Untersuchungsbericht eines Parlamentsausschusses veröffentlicht werden, der Sturgeon Irreführung vorwirft. Die Politikerin weist den Report als parteipolitisch voreingenommen zurück.

Schottland wählt in wenigen Wochen ein neues Parlament. Sturgeons Schottische Nationalpartei (SNP) rechnet bei der Abstimmung am 6. Mai mit einer Mehrheit und will danach ihre Forderungen nach einem neuen Unabhängigkeitsreferendum verstärken.

Die Regionalregierung hofft nun darauf, dass das unabhängige Gutachten der beliebten Sturgeon neuen Rückenwind verleiht. Sie legte am Montag einen Gesetzentwurf für ein neues Unabhängigkeitsreferendum vor. Die Wähler sollen demnach dieselbe Frage beantworten wie bei der Volksabstimmung 2014: «Sollte Schottland ein unabhängiges Land sein?» Der britische Premierminister Boris Johnson lehnt eine neue Befragung strikt ab. Das zuständige schottische Kabinettsmitglied Mike Russell sagte hingegen, London habe keine demokratische Rechtfertigung, die Abstimmung zu verhindern, falls Pro-Unabhängigkeitsparteien bei der Wahl am 6. Mai die Mehrheit erreichen.

Der Zeitpunkt für das Referendum solle in der kommenden Legislaturperiode festgelegt werden, sagte Russell. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen über 16-Jährige ebenso abstimmen dürfen wie in Schottland wahlberechtigte Ausländer.

Bei einem Referendum 2014 hatte eine knappe Mehrheit gegen die Unabhängigkeit gestimmt. Regierungschefin Sturgeon beharrt aber darauf, dass der Brexit, den Schottland abgelehnt hatte, die Bedingungen verändert habe. Sie will ein unabhängiges Schottland zurück in die EU führen. Zuletzt hielten sich Befürworter und Gegner einer Loslösung in Umfragen die Waage.

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