BUDAPEST: Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orban hat sich im Streit der EU mit Polen um rechtsstaatsgefährdende Justizreformen auf die Seite Warschaus gestellt. Der jüngst von der EU-Kommission gestellte Antrag auf finanzielle Sanktionen gegen Polen sei «beispiellos», heißt es in einem von Orban unterschriebenen Regierungsbeschluss, den das Ungarische Amtsblatt am späten Donnerstagabend veröffentlichte.
«Ungarn steht für Polen ein», heißt es in dem Dokument. Mit ihrem Sanktionsantrag habe die EU-Kommission «zahlreiche Bestandteile der Souveränität eines Mitgliedslandes verletzt». Justizministerin Judit Varga soll nun prüfen, wie Ungarn in das vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) laufende Verfahren zugunsten Polens eingreifen könne.
Die EU-Kommission hatte ihren Sanktionsantrag am letzten Dienstag mit der fortgesetzten Tätigkeit der Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern in Polen begründet. Diese ist nach Entscheidungen des EuGH nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.
Auch in dem seit 2010 von Orban regierten Ungarn bestehen Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit. Unter anderen wird die ungarische Staatsanwaltschaft Kritikern zufolge dermaßen von Orban-Loyalisten kontrolliert, dass Verfahren wegen mutmaßlicher Korruption im Umfeld der Regierungspartei Fidesz und der Orban-Familie so gut wie nie eingeleitet werden.
Ungarn und Polen erhalten bedeutende Transferzahlungen von der EU. Beide Länder betrachten das Pochen der EU auf Rechtsstaatlichkeit beim Umgang mit diesen Geldern als Eingriff in ihre «Souveränität».