CARACAS: Mehr als 25 Oppositionsparteien in dem politisch tief gespaltenen Venezuela haben es abgelehnt, an der Parlamentswahl am 6. Dezember teilzunehmen. «27 demokratische politische Organisationen haben eine Erklärung unterzeichnet, in der wir gegenüber dem venezolanischen Volk und der internationalen Gemeinschaft zum Ausdruck bringen, dass wir einstimmig beschlossen haben, uns nicht an dem Betrug zu beteiligen, zu dem die Diktatur aufgerufen hat», hieß es in einer Erklärung, die etwa die Partei «Voluntad Popular» («Volkswille») von Oppositionsführer Juan Guaidó auf Twitter am Sonntag veröffentlichte.
Der dem autoritär regierenden Präsidenten Nicolás Maduro nahestehende
Nationale Wahlrat hatte im Juli ungeachtet der Corona-Krise für den 6. Dezember eine Parlamentswahl angesetzt. Das Parlament ist die einzige staatliche Institution in Venezuela, die von der Opposition kontrolliert wird. Maduro hat dem Parlament mittlerweile allerdings alle Kompetenzen entzogen und sie auf eine regierungstreue Verfassungsgebende Versammlung übertragen. Die Opposition in dem südamerikanischen Krisenstaat läuft Gefahr, bei der Wahl ihre letzte Bastion zu verlieren. Mit dem Boykott der Wahl riskiert Oppositionsführer Guaidó, seine Legitimation einzubüßen.
Das einst reiche Venezuela steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, die durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde. Das Gesundheitssystem liegt am Boden; es fehlt an Lebensmitteln, Trinkwasser, Medikamenten und Treibstoff. Immer wieder fällt der Strom aus. Vor eineinhalb Jahren erklärte sich Parlamentspräsident Guaidó zum Übergangsstaatschef. Er forderte damit Maduro offen heraus und versucht seitdem, ihn aus dem Amt zu drängen. Zahlreiche Staaten - darunter Deutschland und die USA - erkennen ihn als legitimen Interimspräsidenten an. Dennoch konnte Guaidó sich bislang nicht durchsetzen. Maduro sitzt fest im Sattel, auch weil er das Militär auf seiner Seite und die Polizei im Griff hat.