Skepsis bleibt trotz toller Sport-Tage in München

​Olympia-Bewerbung  

Die Zuschauer verfolgen von einem Berg im Olympiapark die Eröffnung der European Championships 2022. Foto: Soeren Stache/dpa
Die Zuschauer verfolgen von einem Berg im Olympiapark die Eröffnung der European Championships 2022. Foto: Soeren Stache/dpa

MÜNCHEN: Nach elf Tagen sind die European Championships in München Geschichte. Die Veranstalter sind hochzufrieden, Athleten und Fans begeistert. Die Frage bleibt, ob sie der Anlauf zur nächsten deutschen Olympia-Bewerbung sind. Danach sieht es eher noch nicht aus.

Sport-Stars, Fans und Veranstalter waren Feuer und Flamme für die European Championships, doch der Funke der Begeisterung scheint noch längst nicht groß genug für eine nächste deutsche Olympia-Bewerbung. Die elf Tage von München haben 50 Jahre nach den Sommerspielen in der bayerischen Metropole zweierlei bewiesen: Kompakte Multisport-Veranstaltungen können funktionieren, und sie locken in Deutschland abseits des Fußballs Millionen von Zuschauern vor die Fernsehgeräte.

Zum Vermächtnis der neun Europameisterschaften im Olympiapark, der Innenstadt und auf Anlagen von 1972 gehört aber auch: 100 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen flossen für die Finanzierung. Und selbst im deutschen Sport wird eine erneute deutsche Olympia-Kandidatur nach den Misserfolgen der Vergangenheit kritisch diskutiert.

Torsten Burmester, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes, freute sich zwar mit 40.000 euphorischen Leichtathletik-Fans am vergangenen Dienstag über den EM-Titel für Sprinterin Gina Lückenkemper. Im «Hamburger Abendblatt» fragte Burmester am Wochenende trotzdem: «Warum sollten wir jetzt unseren kühlen Kopf verlieren? Wir haben schon mehrfach betont, dass vor einer erneuten deutschen Bewerbung ein langer Prozess steht, in dem es uns gelingen muss, die Mehrheit der Bevölkerung von der Sinnhaftigkeit eines solchen Großevents zu überzeugen.»

Das war zuletzt weder bei den gescheiterten Kandidaturen für die Bewerbungen von München für die Winterspiele 2022 und Hamburg für die Sommerspiele 2024 gelungen. Die private Initiative an Rhein und Ruhr konnte sich für 2032 nicht gegen Brisbane durchsetzen. «Deshalb müssen wir jetzt analysieren, was die Begeisterung für diese European Championships ausgelöst hat und was wir daraus lernen können. Was wir nicht brauchen, sind leichtfertig vom Zaun gebrochene Debatten», sagte DOSB-Vorstandschef Burmester. Laut Staatssekretär Mahmut Özdemir vom für Sport zuständigen Bundesinnenministerium gibt es einen Austausch mit dem DOSB, Details nannte er am Sonntag nicht.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) befürwortet einen weiteren Anlauf. 50 Jahre nach den Spielen von München bekräftigte Herrmann am Sonntag: «Es wird eigentlich jetzt schon höchste Zeit, dass mal wieder Sommer- oder Winterspiele in Deutschland stattfinden.» Angesichts der Kritik an anderen Ausrichtern angesichts ökologischer Sünden oder der Menschenrechtslage müsse Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) stellte mit Blick auf eine Olympia-Bewerbung dagegen fest, die Absage der Bürger habe gelehrt, welche Sportveranstaltungen in München möglich seien. Zwar wolle man das positive Feedback nicht ignorieren und sich mit dem Thema befassen, es sei aber nicht das zentrale der nächsten Wochen. Olympiapark-Geschäftsführerin Marion Schöne sah zwar ein neues deutsches Sommermärchen nach der Fußball-WM 2006, räumte aber auch ein, mit neun Sportarten sei man an Grenzen gestoßen.

1,2 Millionen Besucherinnen und Besucher wurden ihren Angaben zufolge seit dem 11. August gezählt und an die 400.000 Eintrittskarten verkauft. Olympische Spiele vor allem im Sommer sind da noch eine ganz andere Dimension. «Ich weiß nicht, ob die Nummer Olympia nicht noch ein Stück zu groß ist», sagte Beachvolleyballerin Karla Borger, die auch Vorsitzende des Vereins Athleten Deutschland ist.

Dagegen befürwortet der Deutsche Turner-Bund erst recht unter dem Eindruck der vergangenen anderthalb Wochen einen neuen Anlauf. DTB-Präsident Alfons Hölzl sieht die Akzeptanz der Bevölkerung durch die European Championships deutlich gestiegen. Ein genaues Bild gibt es erst, wenn wie zuletzt die Bevölkerung gefragt wird.

Der erfolgversprechendere Weg könnten einzelne Großveranstaltungen sein. Özdemir sieht bis zur Fußball-Europameisterschaft 2024 «eine großartige Road-Show von Sportveranstaltungen» auf Deutschland zukommen, bei denen ihre Nachhaltigkeit eine große Rolle spielt. Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung dürfte kein Problem sein.

Dass die übertragenden Sender ARD und ZDF gute Quoten registrierten - so sahen am Samstagabend 4,5 Millionen Zuschauer bei der Leichtathletik zu - spricht für das Interesse in der Bevölkerung an olympischen Sportarten und dem Konzept der European Championships. «Wir sind sehr glücklich über dieses Format. Die Sportarten befruchten sich gegenseitig», sagte Sportdirektor Martin Veith vom Deutschen Alpenverein. Nicht zuletzt auch die Kletterer erlebten in der Innenstadt unvergessliche Momente vor großem Publikum.

Die Resonanz der Fernsehzuschauer auf die Wettbewerbe in München sowie die Schwimm-EM in Rom habe die Erwartungen übertroffen, sagte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann der «Rheinischen Post». ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky freute sich in einer Bilanz über herausragende Einschaltquoten und Nutzerzahlen. «Die European Championships in München haben alle begeistert», betonte Balkausky. Gute Quoten sind also auch ohne Olympia möglich.

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