Bewohner von La Palma sind dem Vulkan ausgeliefert

Blick auf den Vulkan La Palma von der Stadt El Paso aus in den frühen Morgenstunden des 12. Oktober 2021, dem 23. Tag seit Beginn des Ausbruchs. Foto: epa/Elvira Urquijo A.
Blick auf den Vulkan La Palma von der Stadt El Paso aus in den frühen Morgenstunden des 12. Oktober 2021, dem 23. Tag seit Beginn des Ausbruchs. Foto: epa/Elvira Urquijo A.

LA PALMA: Glühend heiße Lava frisst sich voran. Weitere rund 800 Bewohner mussten auf La Palma ihre Häuser verlassen. In kürzester Zeit versuchen sie zu retten, was zu retten ist. In ihrer Hast wirken die Menschen wie Diebe im eigenen Haus.

Seit mehr als drei Wochen sind die Bewohner der Kanareninsel La Palma dem unberechenbaren Vulkan in der Cumbre Vieja weitgehend ohnmächtig ausgesetzt. Während die Insel immer wieder von leichten bis mittleren Erdbeben erschüttert wird, schob sich die bis zu 1200 Grad heiße Lava auch am Mittwoch Meter für Meter unaufhaltsam durch das Tal von Aridane Richtung Atlantik. Ein Ende des Ausbruchs ist laut Experten nicht in Sicht.

Das Fauchen des Vulkans, das immer wieder vom Donner explosionsartiger Entladungen übertönt wird, und Ascheregen begleitet die Menschen auf Schritt und Tritt, zerrt an ihren Nerven. Aber sie geben nicht klein bei. Rund 800 weitere Menschen, die am Vortag wegen der nahenden Lava zur Evakuierung aufgerufen worden waren, konnten den Großteil ihrer Habseligkeiten in Sicherheit bringen, wie der staatliche TV-Sender RTVE berichtete.

Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Bewohner in großer Hast ihre Häuser ausräumten, wichtige Papiere, Erinnerungsstücke, Möbel, Geschirr, Waschmaschinen, Fernseher, Matratzen, Decken, Bettwäsche, Mopeds, Fahrräder, Spielzeug, Kleidung, einfach alles von Wert wurde auf Lastwagen verladen. Einige schraubten sogar die Wasserhähne ab, berichtete die Zeitung «La Vanguardia». Die Menschen würden wie Diebe ihres eigenen Hausrats wirken, wenn sie wieder und wieder Schränke durchwühlten, um auch ja nichts zu vergessen, schrieb «El País».

Das Wertvollste aber, die Häuser selbst, ihr Zuhause, mussten die Menschen zurücklassen. Durch offene Türen war ein Durcheinander von Einrichtungsgegenständen zu sehen, die in der Eile nicht mehr mitgenommen werden konnten. Danach blieb den Menschen nur noch, auf das Wunder zu hoffen, dass die Lava ihr Haus verschonen möge.

Unterdessen reiste Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez am Mittwoch erneut auf die Insel. Bei seinem schon vierten Besuch seit Beginn des Ausbruchs betonte er, die Regierung habe bereits 10 Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung gestellt und weitere 214 Millionen seien etwa für den Ankauf von Wohnungen und die Reparatur von Infrastruktur vorgesehen. «Aber ich bitte auch um Geduld, denn wir können praktisch nichts tun, solange der Vulkan nicht inaktiv geworden ist», fügte Sánchez hinzu. Dafür aber gebe es leider keine Anzeichen, hätten ihm Experten gesagt.

Mit den neuen Evakuierungen stieg die Zahl der Menschen, die sich seit dem Beginn des ersten Ausbruchs des Vulkans seit 50 Jahren in Sicherheit bringen mussten, auf etwa 7000.

Seit dem 19. September wurden bereits 1458 Gebäude zerstört oder schwer beschädigt und fast 660 Hektar unter Lava und Vulkanasche begraben. Darunter auch immer größere Teile von Bananenplantagen, aus denen das Hauptexportgut der Insel kommt. Die Inselregierung ging schon vor zwei Wochen von Schäden in Höhe von mindestens 400 Millionen Euro aus. Eine neuere Schätzung wurde noch nicht bekannt.

Der Flughafen der Insel war nach Angaben des Betreibers Aena betriebsbereit, wurde aber nur von wenigen Fluggesellschaften wie Binter angeflogen. Der Flugverkehr zu den anderen großen Touristeninseln der Kanaren - Teneriffa, Fuerteventura, Gran Canaria oder Lanzarote - lief normal.

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Thomas Sylten 14.10.21 16:40
"Life" aus La Palma
Ich staune wirklich, wie gut ich ausgerechnet im Farang über die Verhältnisse hier auf der Insel informiert werde - zumindest im Vergleich zu anderen deutschsprachigen Erzeugnissen:
Glückwunsch, und Respekt (!) an den Farang.

Nach anderthalb Jahren im thailändischen Corona-Exil, welches wir letztes Jahr in seinen "besseren Zeiten" wirklich sehr genossen haben, befinden sich meine Meea und ich nämlich seit Juli wieder daheim auf unserer Finca in den Bergen von La Palma - und erleben den Ausbruch hautnah mit: Da wir durch einen Berg vor den schlimmsten Auswirkungen durch den Vulkan geschützt sind, aber schon einige Freunde buchstäblich ALLES verloren haben, betrachten wir das hell glühende Ereignis mit einer seltsamen Mischung aus Faszination und Entsetzen vom balkonartigen Aussichtspunkt El Time: Immer weitere Teile des Aridanetals zu unseren Füßen werden von der Lava geflutet - ein Ende ist nicht in Sicht. Das "Glück", so ein Naturereignis mal miterleben zu dürfen, weicht dem Entsetzen über die Folgen - und geht in der notwendigen Hilfsarbeit für die direkt Betroffenen unter.