Österreichische Parlamentarier stimmen gegen EU-Mercosur-Abkommen

WIEN/BRÜSSEL (dpa) - Das EU-Mercosur-Abkommen steht unter keinem guten Stern, obwohl der Vertragstext noch gar nicht fertig ist. Nun gibt es aus dem österreichischen Parlament ein Votum gegen das Abkommen - und das wenige Tage vor der dortigen Parlamentswahl.

Gegen das geplante Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten kommt nun auch Widerstand aus Österreich. Nach viel Kritik etwa aus Frankreich und Irland votierten die zuständigen Abgeordneten des Parlaments in Wien gegen das Abkommen. Die zuständigen österreichischen Minister werden damit dazu aufgefordert, den Handelsdeal auf EU-Ebene abzulehnen.

Das Votum des EU-Unterausschusses des Nationalrats hat nach Angaben eines Parlamentssprechers bindende Wirkung. Österreich könnte so im Alleingang das Abkommen verhindern. Der EU-Ministerrat müsste den Handelspakt einstimmig annehmen.

Die Entscheidung fiel mitten im Wahlkampf in Österreich. Überraschend stimmten auch die Abgeordneten der ÖVP dem Antrag zu, lediglich die liberalen Neos votierten dagegen. Nach dem Bruch der rechtskonservativen Regierung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird in Österreich am 29. September ein neues Parlament gewählt. Derzeit regiert in Wien ein Expertenkabinett, das das Land in erster Linie verwaltet.

Die für die EU-Handelspolitik zuständige EU-Kommission wies am Donnerstag darauf hin, dass bislang noch nicht einmal der finale Text für das Abkommen vorliegt. Das Abstimmungsergebnis selbst wollte sie nicht kommentieren. «Die Kommission äußert sich nie zu politischen Debatten in nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten», sagte eine Sprecherin.

Mit dem Ende Juni vereinbarten Mercosur-Abkommen wollen die Europäische Union und vier südamerikanische Länder die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln. Der Deal muss allerdings von den nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten gebilligt werden. Bislang gibt es lediglich eine politische Grundsatzvereinbarung.

Wegen der Brände im Amazonas und der Politik des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro hatten unter anderem SPD-und Grünen-Politiker auch in Deutschland den Stopp des Abkommens gefordert. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte allerdings dafür plädiert, an dem neuen Freihandelsabkommen festzuhalten.

Beim G7-Gipfel in Biarritz Ende August drohten Frankreich und Irland angesichts der Brände mit einem Veto, sollte Brasilien sich nicht zu einem stärkeren Schutz des Waldes bekennen. Auch Luxemburg erklärte laut «Spiegel», «die Prozedur auf Eis zu legen».

Zum Mercosur gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Die Verhandlungen liefen bereits seit dem Jahr 2000. Der Staatenbund Mercosur ist mit einer Bevölkerung von mehr als 260 Millionen Menschen einer der großen Wirtschaftsräume der Welt. Die EU kommt sogar auf mehr als 512 Millionen Einwohner.

Im österreichischen Nationalrat stimmten dem SPÖ-Antrag auf Ablehnung alle Parteien außer die Neos zu. Etwas überraschend war die Zustimmung der ÖVP von Parteichef und Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Die frühere ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger zeigte sich sehr erfreut darüber, dass dem Abkommen ein Riegel vorgeschoben wurde. «In Südamerika werden Regenwälder niedergebrannt, um Weideflächen zu schaffen, damit dann billiges Rindfleisch nach Europa geschickt werden soll. Das lehnen wir aus tiefer Überzeugung ab, das kann und darf die EU nicht mit einem Handelsabkommen belohnen», sagte Köstinger laut einer Mitteilung.

Die EU-Kommission hält solche Kritik für ungerechtfertigt. Sie verweist darauf, dass die geplante Vereinbarung die Vertragsparteien verpflichten würde, Umweltstandards und das Pariser Klimaabkommens von 2015 einzuhalten.

Nach der Parlamentswahl am 29. September könnte der neu zusammengesetzte Nationalrat das Votum von Mittwochabend auch wieder kippen. Aufgrund des breiten Schulterschlusses von vier Parteien sowie der Zustimmung der ÖVP, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wahl deutlich gewinnen wird, ist davon aber nicht unbedingt auszugehen. ÖVP-Chef Kurz äußerte sich zunächst nicht zum Abstimmungsergebnis im Parlament.

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