WIEN (dpa) - Diese Hochzeit ist durch den Gast keine Privatsache mehr. Österreichs Außenministerin Kneissl würzt ihre Trauung mit einer kühnen Einladung - ein unter Experten zweifelhaftes politisches Signal.
Der ungewöhnliche Besuch von Russlands Präsidenten Wladimir Putin bei der Hochzeit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl hinterlässt nach Einschätzung von Experten einen erheblichen politischen Flurschaden. «Für Österreich ist das nachteilig. Der Besuch schürt das Misstrauen, dass das Land ein trojanisches Pferd Russlands in der EU ist», sagte der Russland-Experte der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott, der Deutschen Presse-Agentur.
Erste Reaktionen in der Ukraine zeigten, dass Österreich als EU-Ratsvorsitzland seine Rolle als Vermittler im Ukraine-Konflikt deutlich beschädigt habe. Von dem Besuch profitiere nur die russlandnahe FPÖ. «Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erfährt eine deutliche Aufwertung», so Mangott. An der Hochzeitsfeier wird auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) teilnehmen.
Die 53-jährige Kneissl ist zwar parteilos, aber auf FPÖ-Ticket seit Dezember 2017 Chefdiplomatin in der rechtskonservativen Regierung in Wien. Sie heiratet am Samstag in der Steiermark ihren Lebensgefährten, den österreichischen Unternehmer Wolfgang Meilinger. Ihre Einladung an Putin sei nach diplomatischen Gepflogenheiten äußerst befremdend. «Das war wirklich kühn», meinte Mangott.
Am Samstag bereitet sich die Polizei in der Steiermark auf einen großen Einsatz vor. Mehrere Hundert Polizisten, darunter auch Kräfte der Spezialeinheit Cobra, sollen den hohen Gast schützen. Nach unbestätigten Medienberichten soll Putin auf dem Flughafen in Graz landen und von dort mit dem Hubschrauber zur Feier geflogen werden. Es wurde auch über eine Kutschfahrt spekuliert. Die südliche Steiermark an der Grenze zu Slowenien ist ein vom Weinbau geprägtes Hügelland, das auch als die «Toskana Österreichs» gilt.
Für Putin sei die Geste eine Gelegenheit zu demonstrieren, dass er nicht isoliert sei, sondern in einem EU-Land auch gesellschaftlich hochwillkommen, so Mangott weiter. Dass sich Putin und Kneissl persönlich nahe stehen, könne als Motiv ausgeschlossen werden, meinte der Russland-Experte. Vielmehr sei Kneissl bei ihrem «dilettantischen Vorstoß», Österreich als Vermittlerland im Syrien-Konflikt ins Spiel zu bringen, von Moskau im April brüsk zurechtgewiesen worden.
Zuletzt war Putin im Juni in Wien. Damals warb er für einen schrittweisen Neubeginn in den Beziehungen zwischen der EU und Russland. Putin habe von Kneissl bei seinem Wien-Besuch eine Einladung zu der Feier bekommen und habe diese «mit Freude angenommen», sagte sein Sprecher Dmitri Peskow. Welches Geschenk der Staatschef dem Hochzeitspaar mitbringen werde, ließ er offen: «Ich kann darüber noch nichts sagen.»
Putin werde öfter zu privaten Veranstaltungen im Ausland eingeladen, sagte Peskow, ohne konkrete Details zu nennen. «Das ist durchaus schon mal vorgekommen.»
So pflegt Putin zum Beispiel mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder eine persönliche Freundschaft - und reiste einst mit einer riesigen Entourage als Ehrengast zu dessen Feier anlässlich seines 60. Geburtstages nach Hannover. Spekuliert wird, ob Putin bei der Hochzeitsfeier des 74-jährigen SPD-Politikers mit seiner fünften Frau, der Südkoreanerin Soyeon Kim, im Oktober in Deutschland anwesend sein wird.
Auf politischer Ebene wird Putin nach Ansicht von Mangott diesmal Schadensbegrenzung betreiben wollen. Der 65-Jährige habe ein immenses Interesse, dass die EU weder die jüngsten noch die drohenden US-Wirtschaftssanktionen übernehme. Dieses Thema dürfte sowohl bei etwaigen politischen Gesprächen am Rand der Hochzeit sowie beim abendlichen Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Meseberg breiten Raum einnehmen, ist der Russland-Experte überzeugt.