Öffentlichkeitsscheues Musikgenie

Mike Oldfield wird 70

Der britische Musiker Mike Oldfield tritt bei einem Konzert auf dem Horse Guards Parade auf. Foto: Peter Jordan/Pa/epa/dpa
Der britische Musiker Mike Oldfield tritt bei einem Konzert auf dem Horse Guards Parade auf. Foto: Peter Jordan/Pa/epa/dpa

LONDON: Mike Oldfield war gerade mal 20 Jahre alt, als er mit seinem Debütalbum «Tubular Bells» ein Meisterwerk der Pop- und Rockgeschichte veröffentlichte. Weltweit soll sich das Album bis heute mehr als 15 Millionen Mal verkauft haben. Auch als Stream ist es ein Dauerbrenner. Bei Konzerten zum 50. Jubiläum von «Tubular Bells» wirkte Oldfield selbst nicht mit. Das Musikgenie, das am 15. Mai 70 Jahre alt wird, hat sich längst von der Bühne zurückgezogen.

«Es ist unglaublich, dass es 50 Jahre her ist, seit ich "Tubular Bells" geschrieben habe», sagte Oldfield in einem Interview zu der Tournee «Tubular Bells - The 50th Anniversary Celebration», die ohne Oldfield unter der Leitung seines musikalischen Direktors Robin Smith im Februar und März durch Großbritannien zog. «Es berührt mich, dass meine Musik in dieser Zeit so viele Menschen auf der ganzen Welt erreicht hat.»

Seine bahnbrechende Komposition hatte allerdings einen tragischen Hintergrund. Oldfield, der am 15. Mai 1953 im englischen Berkshire geboren wurde, wuchs in äußerst schwierigen Verhältnissen auf. Die Musik bot ihm eine Zuflucht. Seine depressive Mutter war abhängig von Beruhigungsmitteln und Alkohol. «Das Familienleben lief aus dem Ruder», so Oldfield im «Times»-Interview. «Ich litt unter schweren psychischen Problemen und vergrub mich in die Musik.»

Als Teenager trat er in lokalen Clubs auf. Schon mit 15 verließ er die Schule und beschloss, die Musik zum Beruf zu machen. Mit seiner Schwester Sally Oldfield, die später selbst ein Popstar («Mirrors») wurde, gründete er eine Folk-Band. Dann fing er an, «Tubular Bells» zu schreiben. Er hatte bereits unzählige Instrumente gelernt. Auf seinem Progressive-Rock-Meisterwerk, das aus zwei rund 25-minütigen Instrumentalstücken (mit ein paar gesprochenen Worten) besteht, spielt er alle 20 Instrumente selbst.

Dass «Tubular Bells» so ein Erfolg wurde, lag auch daran, dass Regisseur William Friedkin die Musik für seinen Horrorfilm «Der Exorzist», einen der großen Klassiker des Genres, nutzte. Die etwas düstere, bedrohlich klingende Komposition eignete sich perfekt für den einflussreichen Film, der im Dezember 1973 in die Kinos kam und das Publikum schockierte.

Der plötzliche Erfolg überwältigte den jungen Oldfield. Er litt unter Panikattacken und wollte weder auf Tournee gehen noch der Presse Interviews geben. Stattdessen zog sich der eigenwillige Musiker aufs Land zurück und nahm dort sein nächstes Album auf.

Wie sein Debüt ist auch «Hergest Ridge» eine Instrumental-Komposition in zwei Teilen - auf Vinyl-LPs damals die A- und B-Seite - und ist benannt nach der Region an der Grenze zwischen England und Wales, wo Oldfield es eingespielt hatte. Kurios: «Hergest Ridge» erreichte Platz 1 der Albumcharts, wurde nach drei Wochen aber durch das zuvor veröffentlichte «Tubular Bells» von der Spitzenposition verdrängt - dem «Exorzist» sei Dank.

Ein Jahr später folgte schon sein nächster Geniestreich. Das Album «Ommadawn», auf dem Mike Oldfield unzählige Musikstile vermischt, darunter irische Volksmusik, afrikanische Rhythmen und Klassik, gilt mit komplexen Arrangements und komplexer Instrumentierung als sein Magnum Opus. Auf dem Synthesizer-lastigen «Incantations» (1978) sind Einflüsse von Weltmusik und religiöser Musik zu hören. Mit seinen atmosphärischen Klangwelten gilt Mike Oldfield als einer der Vorreiter der New-Age-Musik.

Erst 1979 ging er erstmals auf Tournee. Die 1980er Jahre markierten dann auch stilistisch eine Zäsur in seiner Karriere. Denn statt langer Instrumentalwerke versuchte sich Oldfield auf einmal sehr erfolgreich an einem kommerzielleren, radiotauglichen und doch ganz eigenwilligem Popsound, der von markanten, sofort wieder erkennbaren Gitarrenklängen geprägt wurde.

Für sein Album «Crises» holte er verschiedene Künstler ans Mikrofon. Yes-Sänger Jon Anderson sang «High Places», Roger Chapman schmetterte «Shadow On The Wall» und die Single «Moonlight Shadow» mit der schottischen Sängerin Maggie Reilly wurde Oldfields größter Hit. «To France», ebenfalls mit Reilly, und «Pictures In The Dark», gesungen von der Norwegerin Anita Hegerland, waren weitere Charterfolge.

Mit dem früheren Kinderstar Hegerland, die als Zehnjährige mit Roy Black «Schön ist es auf der Welt zu sein» sang, war Oldfield anschließend sechs Jahre liiert, aber nicht verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder. Insgesamt sieben Kinder gingen aus Oldfields Beziehungen hervor. Tragischerweise starb sein Sohn Dougal 2015 im Alter von nur 33 Jahren überraschend nach einem Kollaps bei der Arbeit. «Es war so unerwartet, brutal und gemein», sagte Oldfield der «Times». Der Sänger, der früher mit Alkohol- und Drogenproblemen zu tun hatte, berichtete in der Vergangenheit offen von seiner Therapie.

Seinem Geburtsland Großbritannien hat Mike Oldfield schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt, weil ihm nach eigener Aussage die Überwachung und die staatliche Kontrolle zu viel wurden. Er wohnte in Spanien, den USA und Monaco. Seit 2009 lebt er zurückgezogen auf den Bahamas. «Ich lebe hier sehr asketisch», sagte er 2017. Da hatte er gerade seine vierte Scheidung hinter sich und versicherte: «Ich werde nie wieder heiraten.» Über seinen derzeitigen Beziehungsstatus ist nichts bekannt.

Darauf, dass Mike Oldfield bei den «Tubular Bells»-Jubiläumskonzerten in diesem Jahr nicht selbst spielte, reagierten viele Fans verärgert. Aus der Tourankündigung ging das nämlich nicht eindeutig hervor. Es war allerdings zu erwarten, denn Oldfield soll seine Wahlheimat auf den Bahamas laut Medienberichten seit Jahren nicht verlassen haben. Sein Auftritt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2012 in London war sein Abschied von der Bühne. Konzerttourneen mochte der Brite nach eigener Aussage noch nie.

Es gibt noch mehr schlechte Nachrichten für Oldfield-Fans. Sein 26. Studioalbum «Return To Ommadawn», das er 2017 als Sequel zu «Ommadawn» veröffentlicht hatte, wird möglicherweise das letzte von Mike Oldfield bleiben. Aktuellen Gerüchten zufolge will sich das öffentlichkeitsscheue Musikgenie komplett aus dem Geschäft zurückziehen.

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