Nordkorea testete Raketenwerfer und Lenkwaffen unter Beisein von Kim

Foto: epa/Jeon Heon-kyun
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SEOUL/PJÖNGJANG (dpa) - Nordkorea äußert schon länger seinen Unmut über die Weigerung der USA, Sanktionen gegen Pjöngjang zu lockern. Jetzt lässt Machthaber Kim mit neuen Waffenübungen militärische Stärke demonstrieren. Die Aufregung im Süden ist groß.

Die selbst erklärte Atommacht Nordkorea hat eigenen Angaben zufolge Mehrfach-Raketenwerfersysteme mit größerer Reichweite und taktische Lenkwaffen getestet. Machthaber Kim Jong Un habe die Tests vom Samstag im Rahmen einer Übung persönlich überwacht und sich mit der Ausführung zufrieden gezeigt, berichteten die Staatsmedien am Sonntag. Experten vermuten, Nordkorea könnte ein ballistisches Raketensystem erprobt haben. UN-Resolutionen verbieten dem Land Raketentests unter Verwendung «ballistischer Raketentechnik».

Südkorea kritisierte die Waffentests und rief das Nachbarland auf, alles zu unterlassen, was neue Spannungen schüren könnte. Das Büro von Präsident Moon Jae In warf Nordkorea zudem vor, mit dem Waffentest gegen die Abmachungen des «innerkoreanischen Militärabkommens vom September» 2018 über vertrauensbildende Maßnahmen zu verstoßen.

US-Präsident Donald Trump enthielt sich der Kritik und schrieb auf Twitter, er halte im Streit um die atomare Abrüstung Nordkoreas weiterhin eine Einigung für wahrscheinlich. Das Auswärtige Amt nannte die Raketentests hingegen eine «Provokation». Sie fielen in eine Zeit, in der die internationale Gemeinschaft von Nordkorea konkrete Schritte zur Aufgabe seines Raketen- und Nuklearwaffenprogramms erwarte, hieß es in einer Erklärung.

Die neuen Waffentests wurden von Beobachtern auch als weiterer Versuch Nordkoreas gesehen, im Atomstreit die USA stärker unter Druck zu setzen. Das zweite Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim war im Februar in Vietnam vorzeitig abgebrochen worden. Beide Seiten konnten sich in der zentralen Frage der atomaren Abrüstung Nordkoreas nicht einigen. Pjöngjang forderte eine Aufhebung eines Großteils der internationalen Sanktionen - ebenfalls erfolglos.

Den nordkoreanischen Berichten zufolge war es Zweck der Raketenübung, die Einsatzfähigkeit und die Treffgenauigkeit «großkalibriger Mehrfach-Raketenwerfer und taktischer Lenkwaffen» zu überprüfen. Die offizielle Zeitung «Rodong Sinmun» veröffentlichte Fotos von Kim, wie er den Start verschiedener Waffensysteme mit einem Fernglas verfolgt.

Kim rief die Truppen nach der Übung auf, ihren «hohen Alarmstatus» beizubehalten und die Kampfstärke zu verbessern. Die Truppen hätten ihre rasche Reaktionsfähigkeit unter Beweis gestellt, um «auf Befehl in jedem Moment in Kampfaktionen überzugehen», wurde er zitiert.

Südkoreas Verteidigungsministerium erklärte am Sonntag, Nordkorea habe vermutlich 240- und 300-Millimeter Raketenwerfer sowie «eine neue Art taktischer Lenkwaffen» getestet. Südkoreas Militär hatte am Vortag zunächst nur vage von «Projektilen» von kurzer Reichweite gesprochen. Sie seien nach dem Abschuss von der Ostküste des Nachbarlandes bis zu 200 Kilometer weit geflogen und dann ins Meer gestürzt.

Das Mitglied der Föderation amerikanischer Wissenschaftler, Ankit Panda, schrieb auf Twitter, die gezeigten Waffen glichen dem taktischen ballistischen Raketensystem Iskander aus russischer Produktion. «Irgendwie witzig aus meiner Sicht, dass Kim so bald nach seinem Treffen mit (Wladimir) Putin etwas testet, was wie Iskander aussieht», schrieb Panda unter Anspielung auf den ersten Gipfel des russischen Präsidenten mit Kim Jong Un Ende April in Wladiwostok. Er sei sich allerdings «nahezu sicher», dass die von Nordkorea getesteten Waffen an die Leistung der Iskander nicht herankämen.

Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die einen konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengkopf befördern können. Neue Tests mit solchen Raketen durch Nordkorea würden als offene Herausforderung Trumps gewertet werden.

Der jüngste Waffentest erfolgte etwa anderthalb Jahre nach dem Start einer Interkontinentalrakete durch Nordkorea, der weltweit Besorgnis auslöste. Pjöngjang hatte erklärt, das gesamte Festland der USA sei in Reichweite seiner Raketen. Den USA unterstellt Nordkorea eine feindselige Politik.

Trump schrieb am Samstag auf Twitter: «Es wird einen Deal geben.» «In dieser interessanten Welt ist alles möglich.» Kim habe das große wirtschaftliche Potenzial Nordkoreas erkannt und er werde nichts tun, was dieses gefährden könnte.

Die Sorge in Südkorea und den USA ist trotzdem groß, dass sich nach der Annäherung Nordkoreas an beide Länder im vergangenen Jahr die Spannungen schrittweise wieder erhöhen könnten. Zuletzt verstärkte Nordkorea seine Kritik an der Verhandlungsführung der USA. Kims Regierung warf US-Außenminister Mike Pompeo vor, die Gespräche über das Atomprogramm zu behindern, und forderte dessen Abberufung von den Verhandlungen.

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