Der Kampf um den rechten Wähler

​Niederlande-Wahl

Der scheidende niederländische Premierminister Mark Rutte während einer Debatte im Senat über das Corona-Virus, Den Haag. Foto: epa/Bart Maat
Der scheidende niederländische Premierminister Mark Rutte während einer Debatte im Senat über das Corona-Virus, Den Haag. Foto: epa/Bart Maat

DEN HAAG: Die Niederländer wählen ein neues Parlament. In der Corona-Zeit ist Premier Rutte Favorit. Doch die Rechten wittern eine Chance. Rechtspopulist Wilders hat Konkurrenz bekommen.

Der niederländische Rechtsaußen Thierry Baudet trägt in diesem März Baseball-Kappe, Modell Donald Trump. Auch sonst eifert er im Wahlkampf seinem großen Vorbild aus den USA nach: Er trotzt allen Corona-Regeln, schüttelt Hände und umarmt Fans für Selfies. Er beschimpft die TV-Nachrichten als «Fake-News». Und täglich bombardiert sein «Forum für Demokratie» die Wähler mit der Botschaft: «Wählt eure Freiheit zurück». Es ist der fast verzweifelt wirkende Versuch, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Die Niederländer wählen am nächsten Mittwoch (17. März) ein neues Parlament. Doch das Ergebnis steht fast schon fest. Corona bestimmt die Wahl und davon profitiert vor allem einer: Premier Mark Rutte.

Der Rechtsliberale präsentiere sich als beinahe schon überparteilicher Krisenmanager, als «Staatsmann», sagt der Amsterdamer Politologe Armèn Hakhverdian. «In dieser Krise wollen Wähler keine Experimente.» Alle Umfragen zeigen Rutte und seine Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) unangefochten auf Platz eins. Nach zehn Jahren wird er aller Voraussicht nach erneut Regierungschef werden.

Die große Frage ist allerdings. Mit wem wird er regieren? Eine absolute Mehrheit ist ausgeschlossen. Die Mehrheit mit seinen bisherigen drei Partnern ist ungewiss. Der linke Block ist zu klein. Den Umfragen zufolge könnten fünf Parteien nötig sein für eine mehrheitsfähige Koalition.

Die rechten Parteien wittern eine Chance. Und es gibt noch viel zu gewinnen, sagt der Meinungsforscher Peter Kanne vom Institut I&O Research: «Auf der rechtspopulistischen Seite wird sich noch etwas verschieben ... Da sind 20 bis 25 Prozent der Wähler, da gibt es also etwas zu holen.»

Doch in diesem Krisen-Wahlkampf haben die Rechten Mühe. Ihre klassischen Themen wie Islam, Migration oder EU spielen keine Rolle. «Die Rechten suchen nun nach einem Weg, Corona für sich zu nutzen», sagt Politologe Hakhverdian. Für sie sei die Pandemie ein Beweis für das Versagen des Staates und diene dazu, Misstrauen gegen Wissenschaft und Elite zu schüren.

Bisher profitiert der Rechtspopulist Geert Wilders. Der Islamgegner und erklärte EU-Feind positioniert sich als Herausforderer von Rutte - als ginge es um einen Zweikampf. Seine Partei für die Freiheit (PVV) liegt in den Umfragen bei etwa 13 Prozent und wird wohl erneut zweitstärkste Kraft.

Auch er muss auf seine sonst so geliebten Auftritte auf Marktplätzen verzichten, bejubelt von vielen «Henk und Ingrids», wie er die Durchschnittsbürger gerne nennt. Stattdessen wird er sich in gleich drei TV-Debatten ein direktes Duell mit Rutte liefern. Wilders nutzt Corona für einen Frontalangriff auf Rutte und das Versagen des Staates: «Das Schließen der Krankenhäuser, der Mangel an Intensiv-Betten: Nur der Geiz von Rutte.»

Seit 15 Jahren herrscht der Rechtsaußen mit der charakteristischen inzwischen grauen Haartolle auf dem Binnenhof fast unangefochten auf der rechten Seite. Doch er hat Konkurrenz bekommen.

Das Forum vom Rechtsaußen Baudet hat zur Zeit zwei Sitze im Parlament, und es wurde bei der Provinzial-Wahl 2019 stärkste Kraft im Lande. Lange war er der absolute Shootingstar der Rechten, eine Alternative für all diejenigen rechten Wähler, die Wilders' Hetze gegen Muslime zu grob fanden.

Mit Baudet dagegen konnte man sich sehen lassen. Der promovierte Rechtsphilosoph mit Flügel im Büro flirtet mit Ultra-Rechten in den USA oder Frankreich, singt das Loblied des Nationalismus. Er lehnt die EU und Klimaschutz ab, hetzt gegen Immigration ebenso wie gegen eine angebliche linke Vorherrschaft in Kultur, Medien und Universitäten.

Bis zum November ging das gut. Doch dann wurden rassistische und antisemitische Sprüche von Parteifreunden bekannt. Baudet distanzierte sich nicht. Die Partei fiel in sich zusammen wie ein Soufflé, das zu schnell aus dem Ofen geholt wird.

Jetzt setzt der 38-Jährige voll auf Komplott-Theorien und wettert gegen Lockdown und Ausgangssperre. Staaten würden die Pandemie missbrauchen, «um uns unsere Freiheit zu nehmen.» Gut die Hälfte seiner Wähler sind sogenannte «Wappies» - Komplottdenker und Corona-Leugner. Doch bisher sorgen sie in Umfragen nur für einen bescheidenen Zuwachs für das Forum.

Aber Baudets Ex-Freunde treten mit einer eigenen Partei an: Ja21. «Wir sind für die politisch Obdachlosen da», sagt Spitzenkandidat Joost Eerdmans. Mit einem gemäßigteren Programm will er punkten: Weniger Europa, weniger Migration, weniger Klimaschutz. Und JA21 hat etwas zu bieten: eine starke Fraktion in der Ersten Kammer des Parlaments, Abgeordnete in den Provinzen und im Europa-Parlament.

Die Chance für die Rechten auf Regierungsbeteiligung ist zwar gering. Fast alle etablierten Parteien schließen eine Koalition mit Wilders und Baudet aus. Doch ihr Einfluss sei nicht zu unterschätzen, mahnt der Politologe Hakhverdian. «Unter dem Einfluss der Rechtspopulisten hat sich Rutte in den letzten Jahren bereits deutlich nach rechts bewegt.»

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