Nicht mit dem Hintern wackeln

Die Kleinkinder in Thailand mit ihren pechschwarzen Haaren und den mandelförmigen, braunen Augen haben etwas Puppenhaftes und die Mädchen werden von ihren Müttern auch entsprechend ausstaffiert: schön bunt mit Rüschen und Spitzen, Schleifchen und Bändern aus Seide. Sie werden dann auf Facebook herumgereicht wie in einem medialen Schönheitswettbewerb, tausendfach fotografiert und aufgereiht wie in einem Katalog. Alle sind entzückt, aber es ist vollkommen verpönt, Komplimente zu machen, mal abgesehen von einem Like.

Niemand sagt: „Was für ein schönes Kind,“ oder ähnlich. Dies hat einen einfachen Grund im thailändischen Animismus.

Die Geister könnten eifersüchtig werden und dem Kind Schaden zufügen. Das Mädchen darf zwar schön sein, das sehen die Geister offenbar nicht, vielleicht weil sie kein Facebook haben, aber sie sollen es von niemand hören. Das ist die rote Linie für die Dämonen.

„Hello sexy man…!“

Hinzuzufügen bleibt, dass sich Thais auch untereinander selten Komplimente machen, auf Englisch fällt es ihnen offenbar leichter: „Hello handsome man“, „Hello sexy man…“ Wer kennt das nicht und lässt es sich gern gefallen, auch mir bestätigt ein kritischer Blick in den Spiegel: Die Damen haben vollkommen recht!

Die Buben stehen anfänglich hintenan, sie bleiben eine Weile im Schatten der Märchenprinzessinnen. Das ändert sich aber rasch, wenn die Kinder größer sind. Nun werden die Mädchen angehalten, im Haushalt zu helfen, zu kochen, zu putzen und mit den Müttern über den Markt zu gehen. Sie sollen sich in jeder erdenklichen Weise zum Wohle des Clans und ihrer Brüder nützlich machen. Das prägt und stärkt die Selbstoptimierung, während die Knaben sich durch die fantastische Welt der Gametoys in eine Parallelwelt beamen, wo sich Megamonster Kühlschränke um die Ohren hauen.

Die Langzeitwirkung dieser geschlechtstypischen Erziehungsmuster sieht dann bei der Berufswahl so aus: Es gibt an den Unis heute mehr Studentinnen als Studenten, in den mittleren Kadern soll – nach der Statistik – der Anteil der Frauen größer sein als in DACH.

Offenbar galten für sie bis vor kurzer Zeit klare Regeln für ihren Auftritt in der Arbeitswelt der öffentlichen Verwaltung: Keine kurzen Röcke, bloß ein diskretes Make-up und die Aufforderung, beim Gehen nicht mit dem Hintern zu wackeln (!).

In der Privatwirtschaft sieht man von solchen Verordnungen ab, die Mitarbeiterinnen in den Banken und Versicherungen tragen Uniformen mit dem Logo und den Signalfarben der Firmen, was wohl bedeuten soll, dass man sich als große Familie versteht, der man alles unterordnet: Die Löhne sind tief, die Arbeitszeiten lang und die Karriere endet wie gesagt meist beim mittleren Management.

Operettenuniformen

Männer zieht es weniger in die öffentliche Verwaltung als in extrem hierarchisch geprägte Institutionen, wie das Militär und die Polizei. Hier ist für jedermann klar, was Sache ist. Ist man erst mal drin, ist man vor revolutionären Neuerungen und Pleiten geschützt und hat bis zur Pensionierung ausgesorgt. Hinzu kommt noch eine schicke Operettenuniform mit auffälligen Rangabzeichen, auch diese Sorge ist der Träger los.

Ganz oben wird die Luft auch für hochqualifizierte Frauen dünn, Topausbildung hin oder her. Vermutlich gibt es dort, wo die richtungweisenden Entscheidungen getroffen werden, männerlastige Seilschaften, die im Hochgebirge des „big money“ unterwegs sind, wo die Ellbogen ausgefahren werden. Die wenigen Frauen, die da mithalten können, sind oft Witwen von Tycoons oder Erbinnen von großen Vermögen, mit welchen sie ihre Clans mehr oder weniger diskret steuern, gerne an den Steuern vorbei.

Lieschen Müllers Traumwelt

Schaut man sich die Soaps im Thai-TV an, sieht man ein Ambiente, das für Lieschen Müllers Fantasien maßgeschneidert ist: Die Protagonisten scharwenzeln in Designerklamotten durch palastartige Räumlichkeiten mit devotem Dienstpersonal. Der Plot ist hanebüchen, alle wollen immer alles, jeder will jede und am Ende setzt es Prügel, bis der gütige Pat­riarch oder die Matriarchin ein Machtwort spricht. Fortsetzung folgt, aber hier wird nichts fortgesetzt, das Einerlei wird einfach ein bisschen variiert, statt am Familientisch streitet man sich am Spitalbett der Erbtante weiter.

Was auffällt: Die Thaifrauen werden gerne handgreiflich, mit Vorliebe gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen, da geht die Post ab, bis – in der Regel ein Mann – eingreift und die Sache beendet. Was dabei auch noch auffällt: Kinder sind in diesem aseptischen Bollywood-Ambiente selten zu sehen, sie würden durch ihre Lebhaftigkeit nur stören. Hat man eine dieser Soaps gesehen, hat man alle gesehen und gleich wieder vergessen.

Ich habe meine Frau gefragt, was sie an diesen Filmchen, die sie sich regelmäßig reinzieht, so spannend finde. Sie weiß darauf auch keine Antwort, sie schaut sich das seichte Zeugs offenbar zur Entspannung an und lacht nur vor sich hin, wenn sie meine Verwunderung spürt. Ich habe einen Verdacht, den ich hier aber nicht weiter vertiefen möchte: In den Soaps kommt NIE ein Farang vor! Vielleicht will sie so einen nicht auch noch im TV sehen.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ralph von Mühldorfer 28.03.21 23:29
prima Artikel - genau beobachtet
Ich bereiste Thailand das 1. Mal 2012 und war seitdem jeden Winter 3 Monate dort. Zwischenzeitlich habe ich meine Freundin aus Bangkok geheiratet. Wir leben hier in Deutschland miteinander. Wir sind fast gleich alt und haben jeder 2 Töchter, die alle studiert und gute Festanstellungen haben (auch unsere Thai-Mädels). Ich musste leider beobachten, dass die Mädels trotz Studium, aber keine hochdotierten Job bekamen. In Deutschland kommen die mit den Spargroschen der Großeltern, gerade so zurecht. An einen Hausbau, wie unsere Eltern das in den 60-ger und 70-ger Jahren machten, können die nicht einmal denken.
Phi Nott 28.03.21 08:07
5 Sterne
für diesen fantastischen Beitrag. Wirklich das richtige Leben. Genau so isses, und genau so hab ich's schon gefühlte 1000 Mal erlebt. Chapeau!