Neulich, am Strand: Rentnerarbeit

Neulich, am Strand: Rentnerarbeit

Eine der schönen täglichen „Arbeiten“, die ich und viele andere Rentner hier erledigen müssen, ist der Nachmittagstreff. Ungezwungen, wer gerade Zeit hat, schaut am Treffpunkt auf der Promenade vorbei. Die einen leben hier, andere sind Überwinterer, und manche machen Kurz- oder Spontanurlaub. Einige sind hier jeden Tag anzutreffen, da hat sich das zum täglichen Ritual entwickelt. À la dinner for one: „Same procedure as last year?“ – „No, same procedure as every day!“

So hat jeder seine täglichen sozialen Kontakte, und gemeinsam über die gerade Abwesenden zu lästern und stänkern macht eh viel mehr Spaß. Schon alleine deswegen sollte man darauf bedacht sein, nicht allzu lange der Runde fern zu bleiben. Nach 3 Tagen Abwesenheit wird man in solchen Runden schon schief angeschaut! Aber als angenehmer Nebeneffekt kommt dazu, dass eigentlich an jedem Tag ein schöner Sonnenuntergang geboten wird. Und das gratis, was unsere klammen Teilnehmer unter uns sicher schätzen. Auf jeden Fall haben sie meinen Vorschlag, für jeden Sonnenuntergang eine Gebühr zu meinen Gunsten zu entrichten, abgelehnt (ich vermute mal aus Kostengründen...). Nun, wenn das nicht klappt, muss ich mir halt jetzt eine andere Geldquelle suchen müssen. Was soll‘s. Es war ein Versuch wert.

Buntes Treiben auf der Promenade

Eine andere Sache ist das Beobachten des Treibens auf der Promenade. Da sieht man, wer mit wem daherflaniert kommt. Meistens kennen wir die Damen, die ausgeführt werden schon. Viele sind öfters hier über das Jahr durch. Nur ihre Begleiter wechseln sich ab. Ob das mit oder ohne das Wissen des Galans über den Sachverhalt geschieht, entzieht sich unserer Kenntnis. Aber das geht uns auch nichts an. „Der nächste Herr, dieselbe Dame“, meinte jeweils einer von uns zur allgemeinen Belustigung. Aber es gibt auch viele Passanten, die einfach so immer wieder auftauchen. Ich staune immer wieder, wie einige der alten Hasen unter uns Bescheid wissen (wollen), woher derjenige sei, der gerade dahergelaufen kommt, was er von Beruf gewesen ist, mit welchen Damen er schon Umgang gepflegt hat und vermutlich noch wieviel Rente er bezieht. Interessant ist das schon. Auch wenn ich manchmal den Behauptungen nicht so recht traue. Vielleicht sollte ich mal die gemachten Aussagen gleich nachprüfen, wenn wieder einmal ein gänzlich Unbekannter dahergeschlendert kommt. Etwa so: „Hallo, Sie da. Entschuldigen Sie bitte. Sind Sie nicht der ehemalige Oberstudienrat „XY“ aus der Eifel, dem seine Frau mit einem Medizinstudenten durchgebrannt ist? Der, der nun seine unverschämt hohen monatlichen Pensionsbezüge mit den Mädels aus dem Isaan raushaut? Mein Kumpel hat da eben was erzählt. Gestern in der Walking Street, Sie werden ja wohl noch wissen, hähähä. Eigentlich interessiert es mich nicht. Aber hinten rum wäre es halt doch spannend zu wissen, was da war. Also, was ist? Ist jetzt nun ihre Anne-Marie durchgebrannt oder nicht? Wieviel kassieren Sie ab? Und übrigens Ihre Lady kennen wir auch schon. Die lief letzten Monat noch mit einem anderen hier runter!“

Wenn ich nun Glück habe und er nun nicht der Oberstudienrat ist, einfach ein trockenes „Nöö“ sagt und weiterläuft, als ob nix gewesen wäre, dann hätte ich meinen Kumpel der „Fake-news“-Verbreitung überführt (Trump lässt grüßen). Doch das wäre schlecht für unsere Rentnerrunde. Was, wenn nun alle haarsträubenden Geschichten, die herumgeboten werden, als Fake entlarvt werden? Wer bleibt denn schon noch da, wenn alle die Saisoniers wieder nach Hause geflogen sind? Dann muss ich doch mit allen diesen alten Säcken hier klarkommen. Also lasse ich die Aufkläraktion besser.

Dazu kommt noch der schlimmere Fall, wenn mein Kumpel jetzt nämlich Recht gehabt hätte. Angenommen, es wäre tatsächlich der Studienrat mit durchgebrannter Frau und Isaanersatz. Da müsste ich doch mit der ungezügelten Wut eines mir gänzlich unbekannten Passanten rechnen. Wenn ich nun nicht gleich eine runtergehauen bekomme, mir ein blaues Auge abhole und mit malträtiertem Gesicht und einem Tritt in den Arsch zum Abendessen erscheine, werde ich noch Glück gehabt haben, denke ich mir. Meine Kumpels würden mir kaum beistehen, wenn die Situation brenzlig werden würde und wären in einer solchen Situation wohl kaum eine Hilfe. Zum blöd daher-labern sind sie allemal gut. Aber dann kann ich mich noch daran erinnern, dass man nicht immer alles glauben soll, was senile Leute von sich geben. Ich verzichte daher auf meine Fragerunde bei den Passanten. Es wird wohl immer noch besser sein, die Leute von sich selber aus ihre Stories erzählen zu lassen. Das ist ungefährlicher für mich. Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass gezieltes Inte­ressezeigen den Erzähler erst recht ermuntert. So wird praktisch aus jedem apathischen Goldfisch im Glas ein gefährlicher Riff-Hai. Man muss nur zuhören können. Versuchen Sie es selbst. Ich jedenfalls, werde morgen wieder meine Rentnerkumpels anbaggern, ob es wohl was Neues gibt. Einem wird es sicher langweilig genug gewesen sein, so dass er für einen Tag im Mittelpunkt stehen will und ein Horrorerlebnis zum Besten geben wird. Schauen wir mal, dann sehen wir schon.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Michael P. Jordan 01.02.18 20:39
Sadu
Finde die Einlassungen wirklich hilfreich, ist ja wie in Deutschland bei den Omis und Opis !