Neulich, am Strand: Guter Rat ist teuer

Neulich, am Strand: Guter Rat ist teuer

Die ausgedehnten Spaziergänge der letzten Zeit haben ihre Spuren bei mir hinterlassen. Meine verkrampften Waden melden sich bei jeder Stufe, die ich bewältige, die geschundenen Knie schmerzen, wann immer es ein wenig aufwärtsgeht. Um weniger zu leiden, schone ich mich, indem ich versuche, mit kleinstmöglichem Aufwand zu laufen. Das muss ich wohl ein bisschen übertrieben haben.

Als ich mit meinen Kollegen heute zum Frühschoppen gegangen bin, meinte einer: „Sag mal, was ist mit dir los? So, wie du läufst? Hast du in die Hose geschissen?“ Der Spott der anderen war mir gewiss und das heutige Hauptgesprächsthema war auch gleich mitgeliefert. Gnadenlos hackten meine Kumpels, unter Gelächter, auf mir rum. Also, was war naheliegender, als in einen Massagesalon zu gehen? Die Damen aus der Massage unten an der Ecke werden ihre Freude haben. Wenn ich nicht, wie üblich, mit einem Spruch über die Lippen an ihnen vorbeimarschiere, sondern ihre Dienstleistung beanspruche.

Eine Wohltat für Körper und Geist

So sitze ich, als einziger Kunde des Ladens, in einem der Relax-Sessel. Fußmassage ist angesagt. Noi, die Masseuse, wäscht meine Füße in lauwarmem Wasser, immer wieder mit Seifencreme eingerieben, gespült, Seife, gespült. „Mensch, du musst aber Drecksfüße haben. Was wird die Lady, die da vor dir kniet, wohl von dir denken?“, geht mir durch den Kopf. Doch die Dame lächelt nur, wenn sie wieder eine kitzlige Stelle an meinen Fußsohlen entdeckt hat. Die Massage beginnt. Das linke Bein zuerst, mit Öl eingerieben, wie ein Steak in der Pfanne, knetet und drückt die vielleicht 30-jährige Dame an meinem lädierten Haxen herum. Und was mir auffällt: Schweigend! Stellen sie sich vor: Eine Thai, die schweigt! Das ist doch schon ein besonderer Genuss, eine Massage in völliger Ruhe! Doch kaum gedacht, beginnt Noi mit: „Wie geht’s?“ Da sehe ich, dass sie einen niedergeschlagenen Eindruck macht. „Ich sei OK. Aber sie habe einen traurigen Blick. Warum?“, entgegne ich ihr. Ihr „wie geht es?“, war wohl eher ein „Hallo, siehst du nicht, wie beschissen es mir geht? Und du sagst nichts dazu?“ „Ach!“, seufzt sie und massiert weiter. Schweigen. Etwas später sehe ich, wie ihre Kinnpartie zu zittern beginnt. Sie ist kurz vor dem Heulen. Ruckweise atmet sie durch die Nase. In den Augen sammelt sich das Tränenwasser. „Oh, je. Hat dich dein Tirak stehen lassen?“, erkundige ich mich und füge hinzu: „Hast wohl Liebeskummer?“ „Hmjaah“, würgt sie hervor. „Woher weißt du das?“, will sie wissen. Na ja. So schwer war das ja nicht herauszubekommen. Man nehme einfach das Naheliegendste. „Ich sehe das in deinen Augen“, erkläre ich ihr. „Ja? Wirklich? Du kannst das?“, braust sie erfreut auf. „Klar!“, meine ich väterlich. „Dann weißt du, dass er aus Neuseeland kommt?“, will sie wissen. „Nein. Aber, dass er vermutlich verheiratet ist…“ „Ja, ja. Genau. Und er hat einen guten Job. Er verdient viel Geld und hat ein großes Haus. Kinder hat er auch. Aber eben, auch eine Frau. Aber die kenne ich nicht. Die war noch nie hier. Aber ER schon. Seit drei Jahren kommt er zu mir, zweimal im Jahr. Dann werde ich dich nicht massieren können. Dann „take care“ ich ihn. In drei Wochen kommt er wieder. Oh! Oh, jeh!“ Ein richtiger Tsunami überschwemmt mich. „Was denn ‚Oh jeh‘? Hat er eine andere?“, will ich wissen. „Neeiiin. Ich glaube schon, dass er mich liebt“, erklärt Noi bestimmt. „Schickt er dir Geld?“, erkundige ich mich. „Ja, klar doch! Was denkst du? Sonst würde ich nicht auf ihn warten“, schaut sie mich zweifelnd an. Vermutlich ist sie doch nicht so von meinen hellseherischen Fähigkeiten überzeugt. „Wieviel schickt er dir?“, fahre ich unbeirrt fort. „50.000 Baht. Zwei Mal im Jahr. Und etwas zu meinem Geburtstag. Und als mein Papa krank war auch 20.000 Baht …“ „Dann liebt er dich!“, unterbreche ich sie mit felsenfester Überzeugung. „Na, DASS ist ja schon klar“, braust Noi auf und unterbricht die Massage. „Ich weiß doch nicht, ob ICH IHN liebe!“ Peng, das hat gesessen. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Treuherzig schaut mich Noi an. „Warum lachst du? Du machst dich über mich lustig“, will sie sich anfangen zu ärgern. Sie rammt mir den Holzmassagestab in die Ferse, so dass mir Sterne vor den Augen erscheinen. „Nein, ich mach mich nicht lustig über dich. Aber glaubst du wirklich, dass ich dir sagen kann, ob du ihn liebst, wenn du das selber nicht weißt?“ „Ja, klar. Warum nicht. Du hast ja auch meinen Kummer entdeckt.“ „Also, ich kann dir sagen, dass du mich nicht liebst. So, wie du mir die Füße gerade malträtierst, werde ich nicht einmal mehr nach Hause laufen können“, stelle ich amüsiert fest. „Oh, sorry!“, erschrickt sie selbst. „Aber sage mir, was ich tun soll, wenn sie kommen“, fährt sie fort. „Ja, warum denn SIE? Ich denke, er kommt alleine?“, bin ich überrascht. „Das habe ich dir doch gesagt, dass sie auch kommt“, gesteht Noi. „Nein, hast du nicht“, beschwere ich mich. „Ach so. Na ja. Dann halt“, lenkt sie ein und fährt weiter: „Sie kommt auch mit. Doch das will ich nicht. Sie wird mich ‚jeck-jeck‘“, wobei sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger an ihrem Hals entlangstreicht. „DAS glaube ich auch. Aber eine Farang-Lady wird dich leben lassen“, beruhige ich sie. „EBEN! Ten, du verstehst überhaupt nichts! Seine Frau ist eine Thai und lebt mit ihm in Neuseeland. Was glaubst du, was hier los ist, wenn er mit seiner Lady hier vorbeiläuft? Hä?“ Und mit dem „Hä?“ fliegt mir ein Handtuch um die Ohren. Ich weiche dem Geschoss aus. Lachend stelle ich fest: „Dann geht es ja gar nicht darum, ob DU IHN liebst oder nicht. Dann geht es darum, wie kommst du an die 50.000 ran, bevor er mit seiner Ehefrau wieder abhaut.“ „Ja, genau! Oi, Ten, du bist wirklich schwer von Begriff!“ Noi stemmt die Ellenbogen in die Hüfte. „Wie alt ist dein Tirak überhaupt?“, lenke ich ab. „69. Im nächsten Monat 70“, meint Noi wieder etwas ruhiger. „Ja, dann ist ja alles klar. Du liebst ihn, nur weil er so ein ‚Sexyman‘ und so ‚handsome‘ ist. Auf die Kohle kommt es ja da gar nicht an. Am besten, ihr versenkt die überflüssige Ehefrau im Golf von Thailand und macht eine Liebesheirat“, ziehe ich Noi auf. Sie lacht. „Nein, ich habe etwas Besseres gedacht“, schaut sie mich mit einem Augenaufschlag an. „Was denn?“, will ich wissen. „Schau Ten. 50.000 Baht sind doch für dich so gut wie nichts. Dann könnte ich nach Hause und mein Papa wäre auch zu frieden. Und mein Neuseeländer soll machen, was er will. Ich bin nicht da“, meint sie keck. „Ich überlege es mir. Mach mal jetzt die Massage fertig und schmeiße mir keine Tücher mehr an“, pariere ich. Für mich denke ich: „Eine Massage für 50.000 Baht. Die hat ja nicht alle Tassen im Schrank. Aber, wer weiß? Vielleicht glaubt sie wirklich, dass sie damit durchkommt.“ Den Rest der Massage verabreicht mir Noi schweigend. Welch ein Genuss.

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