Schwere Wahlschlappe für Konservative

​Neuer Rückschlag für Johnson 

Boris Johnson begibt sich zu den Fragen der Premierminister. Foto: epa/Neil Hall
Boris Johnson begibt sich zu den Fragen der Premierminister. Foto: epa/Neil Hall

LONDON: Boris Johnson gerät immer mehr unter Druck. Nur zweieinhalb Wochen nach einem knapp überstandenen Misstrauensvotum verlieren seine Konservativen zwei wichtige Wahlkreise. Das Amt des britischen Premierministers hängt am seidenen Faden.

Für den politischen Überlebenskünstler Boris Johnson wird die Luft immer dünner. Der britische Premierminister musste bei Nachwahlen in englischen Wahlbezirken gleich zwei krachende Niederlagen für seine Partei einstecken. Ein weiterer Schlag folgte am Freitag mit dem Rücktritt seines Generalsekretärs. Johnson zeigte sich trotzdem zum Weitermachen entschlossen. Der 58-Jährige ist seit Juli 2019 im Amt, bekommt aber zunehmend auch Widerspruch aus der eigenen Partei.

Bei den Nachwahlen verloren die Konservativen den Wahlkreis Tiverton und Honiton im Südwesten an die Liberaldemokraten und den Wahlkreis Wakefield im Norden an die Labour-Partei. Beide wurden bislang von konservativen Abgeordneten vertreten, die ihre Mandate wegen sexuellen Fehlverhaltens niederlegen mussten. Johnson und seine Partei leiden auch unter den Folgen der sogenannten Partygate-Affäre. Dabei geht es um illegale Feiern im Regierungsviertel während des Corona-Lockdowns.

Der Generalsekretär der Konservativen, Oliver Dowden, begründete seinen Rücktritt so: «Jemand muss Verantwortung übernehmen. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich unter diesen Umständen nicht im Amt bleiben kann.» Mit Spannung wird nun erwartet, ob weitere Abgänge folgen.

Die Wahlschlappe dürfte Johnsons Position an der Spitze von Partei und Regierung weiter schwächen. Bei einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Commonwealth-Staaten in Ruanda zeigte er sich demonstrativ gelassen. «Wenn die Leute Probleme haben, senden sie Politikern Botschaften, und die Politiker müssen reagieren.» Johnson macht für die Niederlagen in erster Linie die gestiegenen Lebenshaltungskosten verantwortlich. Einen Rücktritt hatte er zuvor schon abgelehnt und sogar als «verrückt» bezeichnet.

Der Chef der Labour-Opposition, Keir Starmer, sagte zum Ergebnis der Nachwahlen: «Was für ein Urteil über die Tories und Boris Johnson das ist: abgehoben, ideenlos. Und wenn sie nur ein Fünkchen Anstand hätten, würden sie zum Wohle des Landes Platz machen.»

Problematisch ist vor allem, dass die beiden Wahlkreise zwei wichtige Wählergruppen repräsentieren, die dem Premier 2019 zum Sieg verhalfen. Tiverton und Honiton liegt im Stammland der Konservativen im Südwesten. Wakefield ist eigentlich eine traditionelle Labour-Hochburg im einstmals von Industrie- und Bergbau geprägten Norden Englands. Vor drei Jahren konnte Johnson dort gewinnen, weil die Stimmung sehr für den Brexit war, den Abschied aus der EU.

Dass die Tories in beiden Wahlkreisen nun krachende Niederlagen hinnehmen mussten, dürfte für viele Abgeordnete der Beweis sein, dass Johnson zur Belastung geworden ist. Die Konservativen steuerten auf eine Niederlage bei der nächsten Parlamentswahl zu, warnte Ex-Justizminister David Gauke. «Die beste Chance, um das geradezubiegen, ist, den Premierminister zu stürzen», sagte Gauke dem Sender Sky News. Johnson hatte ihn aus der Partei geworfen. Auch der ehemalige Tory-Chef Michael Howard forderte einen Neuanfang.

Der Regierungschef hatte sich im Zusammenhang mit der Partygate-Affäre kürzlich einem Misstrauensvotum in der eigenen Fraktion stellen müssen. Obwohl er die Abstimmung überstand, gilt er seitdem als angezählt. Den Regeln zufolge darf ein weiteres Misstrauensvotum frühestens nach zwölf Monaten stattfinden. Es gibt Spekulationen, dass dies geändert werden könnte. Auch weitere Rücktritte aus dem Kabinett oder Abstimmungsniederlagen im Unterhaus könnten Johnson aus dem Amt zwingen.

Gauke rechnet damit, dass der K.o.-Schlag spätestens nach der Sommerpause kommen dürfte, wenn das Ergebnis einer parlamentarischen Untersuchung erwartet wird. Ein Ausschuss prüft derzeit, ob Johnson das Unterhaus in der Partygate-Affäre absichtlich in die Irre führte. Der Premier hatte behauptet, es habe keine Partys während der Pandemie im Regierungssitz gegeben. Die Polizei sah das anders und stellte ihm sogar selbst einen Strafbescheid aus, weil er bei einer Party dabei war. Gauke sagte, falls der Ausschuss Johnson der Lüge bezichtige, «wäre das Spiel aus».

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