USA überstellen erstmals einen Guantánamo-Häftling

Protest gegen das Gefangenenlager Guantanamo Bay. Foto: epa/Erik S. Lesser
Protest gegen das Gefangenenlager Guantanamo Bay. Foto: epa/Erik S. Lesser

WASHINGTON: Seit fast 20 Jahren gibt es das berüchtigte US-Gefangenenlager in Guantánamo. Präsident Biden will verbliebene Häftlinge jetzt nach Möglichkeit in ihre Heimatländer abschieben. Doch diese Staaten sind häufig wenig begeistert.

Rund sechs Monate nach Amtsantritt hat US-Präsident Joe Bidens Regierung erstmals einen Häftling aus dem Gefangenenlager Guantánamo an dessen Heimatland überstellt. Abdul Latif Nasir sei nach Marokko gebracht worden, weil er keine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA mehr darstelle, erklärte das Verteidigungsministerium am Montag. Marokko habe Sicherheitsgarantien gegeben und eine «menschliche Behandlung» Nasirs zugesagt, hieß es. In Guantanamo Bay in Kuba verbleiben damit noch 39 Häftlinge.

Das Lager war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush errichtet worden, um mutmaßliche islamistische Terroristen ohne Prozess festzuhalten. Bushs Nachfolger, der Demokrat Barack Obama, wollte es schließen, scheiterte aber am Widerstand im US-Kongress. Der Republikaner Donald Trump wiederum wollte das Lager weiter offen halten. Nun bemüht sich Obamas einstiger Vizepräsident, der heutige Präsident Biden, erneut um eine Schließung des Lagers. Die US-Regierung setze auf einen «überlegten und gründlichen Prozess» zur «verantwortlichen Reduzierung der Zahl der Häftlinge», erklärte das Außenministerium.

Der nach Marokko überstellte Nasir war von dem politischen Hin und Her in den USA direkt betroffen: Eine unter Obama eingesetzte Kommission empfahl 2016 seine Entlassung. Die nötigen Schritte konnten aber nicht mehr vor dem Regierungswechsel erfüllt werden - und Trump lehnte Entlassungen aus dem Lager strikt ab.

Marokkos Staatsanwaltschaft kündigte ein Ermittlungsverfahren gegen Nasir wegen des Verdachts auf terroristische Handlungen an. Die marokkanischen Behörden sowie das Pentagon machten aber keine Angaben dazu, ob Nasir nun in seinem Heimatland inhaftiert oder freigelassen wird. Das US-Außenministerium dankte Marokko für die Bereitschaft, Nasir aufzunehmen, und appellierte an andere Länder, ihre Staatsbürger, die im Ausland für Terrororganisationen gekämpft hätten, ebenfalls wieder aufzunehmen.

Von den 39 verbliebenen Insassen in Guantánamo seien zehn von der zuständigen Kommission bereits für einen Transfer in ihre Heimatländer empfohlen worden, erklärte eine ranghohe Vertreterin des Weißen Hauses. «Die Biden-Regierung wird alle nötigen diplomatischen Mittel einsetzen, um den Transfer der dafür als qualifiziert befundenen Häftlinge zu ermöglichen», erklärte die Beamtin. Die Kommission werde zudem den Status von 17 weiteren Häftlingen prüfen. Zehn Insassen werde von einem Militärtribunal der Prozess gemacht, zwei seien bereits verurteilt worden, erklärte die Beamtin weiter.

Das Gefangenenlager war von der US-Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf einem Militärstützpunkt im Osten Kubas errichtet worden, um mutmaßliche Terroristen festzuhalten. Die ersten Häftlinge wurden dort im Januar 2002 untergebracht. Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden viele Insassen gefoltert. Insgesamt waren dort fast 800 Häftlinge zeitweise untergebracht.

Der Mauretanier Mohamedou Ould Slahi wurde beispielsweise mehr als 14 Jahre lang ohne Anklage festgehalten und erst 2016 freigelassen. In seinem Buch «Guantánamo Diary» schildert er systematischen Missbrauch, von Folter und Schlafentzug bis hin zu sexuellen Übergriffen und Drohungen gegen Familienangehörige.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ingo Kerp 20.07.21 12:50
Da die USA die Menschenrecht vehement verteidigen und jeden Staat auffordern, sich an die Menschenrechte zu halten, ist es mehr als zynisch, das sie Guantanamo immer noch als rechtsfreies Gefängnis haben.
Volker Picard 20.07.21 11:30
Leider müssen wir begreifen,
dass die sogenannten "Islamisten" in ihrer Heimat sehr oft nicht wirklich für Gewalttaten wie Morde und andere Grausamkeiten wirklich bestraft werden. Wenn ich an die Morde in Deutschland denke, an die schrecklichen Forgen und dann jahrelange Prozesse, was soll das? Sofort alle Gefährder abschieben und wenn die Herkunftsländer nicht damit umgehen können, ist eine Hilfe leider nicht möglich. Die Amerikaner verstehe ich, wenn sie solche Verbrecher nicht länger versorgen wollen, also raus.