Neue Proteste in Hongkong geplant

China bestellt US-Diplomaten ein

HONGKONG (dpa) - Der Widerstand in Hongkong gegen das umstrittene Auslieferungsgesetz will nicht enden. Während die Regierung auf Tauchstation geht, planen Aktivisten am Sonntag einen neuen Marsch. Wird es friedlich bleiben?

Nach den Massenprotesten gegen das umstrittene Gesetz für Auslieferungen an China ist am Sonntag in Hongkong eine neue Demonstration geplant. Der Widerstand unter den sieben Millionen Einwohnern hat die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungsregion in die schwerste Krise seit Jahren gestürzt. Der Konflikt belastet auch das Verhältnis Chinas mit den USA und der Europäischen Union, die sich hinter die Gegner des Vorhabens gestellt hatten.

Das Außenministerium in Peking bestellte am Freitag den Geschäftsträger der US-Botschaft ein, um ihm einen formellen Protest zu übergeben. Die Kritik der USA an dem Vorgehen in Hongkong wies Vizeaußenminister Le Yucheng dabei als «Einmischung in innere Angelegenheiten» Chinas zurück. Er sprach von «unverantwortlichen Bemerkungen» - ähnlich wie am Vortag, als das Außenministerium die Bedenken der Europäischen Union über das Gesetz zurückgewiesen hatte.

Die Organisatoren der Proteste teilten mit, die Polizei habe bei einem Treffen am Freitag keine formellen Bedenken gegen ihre Pläne geltend gemacht, am Sonntag wieder zu demonstrieren. Der Protestzug soll vom Victoria Park bis zur U-Bahnstation Admiralty führen, die am Regierungssitz und am Legislativrat liegt.

In der Gegend war es am Mittwoch zu schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen, die offiziell als «Aufruhr» eingestuft wurden. Die Sicherheitskräfte hatten Tränengas, Schlagstöcke, Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt, um Tausende Demonstranten zu vertreiben. Dutzende wurden verletzt, einige sogar schwer. Elf Personen wurden festgenommen.

Am vergangenen Sonntag hatten nach unterschiedlichen Schätzungen sogar zwischen Hunderttausenden und einer Million Hongkonger gegen das Gesetz demonstriert. Es würde Hongkongs Behörden erlauben, von China verdächtigte und gesuchte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und diene als Werkzeug der politischen Verfolgung. Auch drohten Folter und Misshandlungen.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» als eigenes Territorium autonom regiert. Anders als die Menschen in der Volksrepublik genießen die Hongkonger nach dem Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungsregion das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.

Als Zeichen für das Chaos in Hongkong wurde am Freitagabend Ortszeit eine zunächst angekündigte Pressekonferenz von Regierungschefin Carrie Lam kurzfristig abgesagt. Wie es jetzt mit dem umstrittenen Gesetz weitergeht, muss sich noch zeigen. Der Legislativrat wird auch am Montag und Dienstag nicht zusammentreten.

Durch die Proteste und Ausschreitungen hatte das nicht freigewählte Parlament seine Beratungen über das Gesetz diese Woche schon verschieben müssen. Eigentlich sollte die Peking-treue Mehrheit das Gesetz am kommenden Donnerstag in dritter Lesung annehmen. Doch wäre dafür jetzt erstmal eine zweite Lesung notwendig.

Die Unruhen in Hongkong erinnern an die «Regenschirm»-Bewegung vor fünf Jahren. Damals hatten Demonstranten mit ihrem Ruf nach mehr Demokratie in Hongkong über Wochen Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole lahmgelegt. Das Auslieferungsgesetz, das viele als «Werkzeug zur Einschüchterung» ansehen, hat diesmal sogar noch mehr Hongkonger mobilisiert.

Die Demonstration am vergangenen Sonntag war nach Einschätzung von Beobachtern die größte in Hongkong seit dem Protest gegen die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking vor drei Jahrzehnten am 4. Juni 1989.

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