Neue französische Regierung kommt - Ermittlungen gegen Philippe

Der französische Premierminister Jean Castex (C) besucht die Produktionsstätte der französischen Foundry-Gruppe in Le Coudray-Montceaux, südlich von Paris. Foto: epa/Julien De Rosa
Der französische Premierminister Jean Castex (C) besucht die Produktionsstätte der französischen Foundry-Gruppe in Le Coudray-Montceaux, südlich von Paris. Foto: epa/Julien De Rosa

PARIS: Nun geht alles ganz schnell: Bereits zu Wochenbeginn dürfte der französische Premier Castex sein neues Kabinett vorstellen. Sein Vorgänger Philippe muss sich dagegen Ermittlungen wegen seines Umgangs mit der Corona-Pandemie stellen.

Nach dem Rücktritt der französischen Regierung am Freitag wird das Kabinett des neuen Premierministers Jean Castex voraussichtlich schon an diesem Montag bekanntgegeben werden. Das sagte der Präsident der Nationalversammlung, Richard Ferrand, am Sonntag dem französischen Fernsehsender France 3. Castex selbst deutete in einem am Sonntag im «Journal du Dimanche» veröffentlichten Interview an, dass die Vorstellung des Kabinetts kurz bevor stehe. Präsident Emmanuel Macron und er würden zügig an dem neuen Regierungsteam arbeiten.

Über die neue Regierungsriege wurde zunächst nur wenig bekannt. Castex hatte nach seiner Amtseinführung am Freitag in einem Fernsehinterview eine umfassende Umbildung angekündigt und von «neuen Talenten» und «Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund» gesprochen. Wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Bezug auf den Präsidentenpalast am Sonntag mitteilte, soll das neue Kabinett aus ungefähr zwanzig Ministern und Beigeordneten Ministern bestehen.

Im Gespräch für das Umweltministerium ist die 69-jährige Laurence Tubiana. Sie war die französische Verhandlungsführerin bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 und ist Co-Vorsitzende des Bürgerkonvents für das Klima, der Macron Vorschläge zur Bekämpfung des Klimawandels vorgelegt hatte.

Die Regierung unter Premierminister Édouard Philippe war am Freitag vor dem Hintergrund des Sieges der Grünen bei den Kommunalwahlen zurückgetreten. Nur wenige Stunden später präsentierte Macron einen neuen Premier: den weithin unbekannten 55-jährigen Castex.

Der Rücktritt Philippes, der in Umfragen zuletzt mit rund 58 Prozent in der Publikumsgunst weit vorne stand, war keine Überraschung. Der 49-Jährige wurde am Sonntag Bürgermeister der Hafenstadt Le Havre am Ärmelkanal. Das Amt hatte er bereits von 2010 bis 2017 inne gehabt. Beobachter schließen nicht aus, dass er sich mit seiner Wiederwahl in Le Havre für die Präsidentenwahl 2022 in Stellung bringt.

Allerdings hat die Justiz kurz nach Philippes Rücktritt Ermittlungen gegen ihn wegen Vorwürfen im Umgang mit der Corona-Krise eingeleitet. Ihm wird fehlende Bekämpfung einer Katastrophe vorgeworfen, wie französische Medien übereinstimmend berichteten. Die Untersuchungen richten sich auch gegen Philippes ehemalige Gesundheitsministerin Agnes Buzyn und ihren Nachfolger Olivier Véran.

Frankreich ist von der Corona-Krise schwer getroffen und zählt rund 30.000 Tote. Auf dem Höhepunkt der Krise hatte die Regierung Versäumnisse im Umgang mit der Pandemie eingeräumt. In der Kritik stand besonders der Mangel an Masken, Schutzkleidung und Tests.

Beim Gerichtshof der Republik waren seit Anfang März zahlreiche Klagen eingegangen. Er ist als einzige Institution in Frankreich in der Lage, Minister für Handlungen zu verurteilen, die in Ausübung ihres Amtes begangen wurden. Französische Präsidenten können im Amt nicht von der Justiz verfolgt werden.

Die Kommission, die nun die Untersuchungen gegen Philippe, Véran und Buzyn leitet, kann diese und die Beschwerdeführer nun anhören. Erst danach wird entschieden, ob es überhaupt zu einem Prozess kommt.

Buzyn hatte sich bereits Anfang der Woche vor einem Untersuchungsausschuss in der Nationalversammlung rechtfertigen müssen. Sie hatte versichert, das Risiko zu keiner Zeit unterschätzt zu haben. Philippe hatte die Franzosen durch die Corona-Krise navigiert - er wurde während dieser Zeit immer beliebter und gab den Menschen das Gefühl der Verlässlichkeit. Bei den Lockerungen trat er - anders als Macron - auf die Bremse.

Er werde der Untersuchungskommission alle Antworten und Informationen vorlegen, die für das Verständnis seines Handelns und das seiner Regierung angesichts der beispiellosen Weltgesundheitskrise erforderlich seien, erklärte Philippe.

Der blass wirkende Castex kündigte per Twitter für «vor Mitte Juli» eine politische Grundsatzrede an. Zuvor hatte er gesagt, er wolle im Gefolge der Corona-Krise einen neuen Sozialpakt aushandeln und suche nicht das Licht, sondern Ergebnisse. Castex gilt als Technokrat, der Macron - anders als Philippe am Ende - eher nicht in den Schatten stellen und die Pläne des Präsidenten geräuschlos umsetzten wird.

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