Netflix-Boom lässt nach - Aktie stürzt trotz Abo-Rekord ab

LOS GATOS: Der Streaming-Marktführer Netflix ist in diesem Jahr erfolgsverwöhnt. In der Corona-Pandemie boomten die Abonnement-Zahlen, die Aktie kletterte von einem Rekordhoch zum nächsten. Trotz über zehn Millionen neuen Abos zeigten sich die Anleger nun enttäuscht.

Der Online-Videodienst Netflix profitiert weiter davon, dass viele Menschen in der Corona-Krise zuhause bleiben und fernsehen. Allerdings hat der pandemiebedingte Kundenansturm inzwischen schon wieder deutlich nachgelassen. Nach dem Abo-Boom zu Jahresbeginn kamen im zweiten Quartal unterm Strich 10,1 Millionen Bezahlabonnements dazu, wie der Streaming-Marktführer am Donnerstag nach US-Börsenschluss im kalifornischen Los Gatos mitteilte. Im vorherigen Vierteljahr waren es noch 15,8 Millionen gewesen. Ende Juni brachte Netflix es weltweit insgesamt auf knapp 193 Millionen Bezahlabos.

Das Unternehmen rechnet damit, dass der Andrang weiter abnimmt. «Wir erwarten in der zweiten Jahreshälfte weniger Wachstum als im Vorjahr», erklärte Netflix-Chef Reed Hastings im Brief an die Aktionäre. Das kam am Markt nicht gut an, die Aktie stürzte nachbörslich zeitweise um rund zwölf Prozent ab, obwohl Netflix seine eigene Quartalsprognose und die vieler Analysten übertraf. Vor Börsenstart in den USA am Freitag deutete sich im Vergleich dazu wieder ein höherer Kurs an. Das Unternehmen ist dieses Jahr bislang einer der größten Börsengewinner und hat 2020 schon über 60 Prozent Kursplus gemacht.

Im Vorquartal hatten die Ausgehbeschränkungen aufgrund der Corona-Krise und Serienhits wie «Tiger King» dem Videodienst einen ungewöhnlich starken Zuwachs an neuen Kunden beschert, was am Finanzmarkt für große Euphorie sorgte. Der Aktienkurs kletterte in den vergangenen Monaten von einem Rekordhoch zum nächsten. Mit einem Börsenwert von zuletzt rund 232 Milliarden Dollar zog der Streaming-Marktführer sogar am Hollywood-Giganten Walt Disney vorbei, dem die Corona-Krise im Gegensatz zu Netflix stark zusetzt.

Dass der Kundenzustrom verglichen mit dem starken Auftaktquartal abebben dürfte, hatte Netflix selbst vorausgesagt. Erschwerend kam im vergangenen Vierteljahr hinzu, dass die ganz großen Blockbuster-Produktionen trotz einer neuen Staffel des Crime-Dramas «Money Heist», Spike Lees neuem Film «Da 5 Bloods» oder der Comedy-Produktion «Space Force» diesmal fehlten. Geschäftlich lief es dennoch rund. Die Erlöse legten im Jahresvergleich um starke 25 Prozent auf 6,2 Milliarden Dollar zu und der Gewinn um weit mehr als das Doppelte auf 720 Millionen Dollar (632 Mio. Euro).

Neben den Quartalszahlen verkündete Netflix auch noch eine wichtige Personalentscheidung. Der seit über 20 Jahren im Unternehmen tätige Programmchef Ted Sarandos wurde neben Hastings zum Co-Vorstandsvorsitzenden ernannt und erhält auch einen Sitz im mächtigen Verwaltungsrat, der dem Vorstand übergeordnet ist. Der Wechsel mache offiziell, was de facto ohnehin schon Realität gewesen sei - nämlich, «dass Ted und ich uns die Führung von Netflix teilen», begründete Hastings den Schritt. Sarandos soll trotz der Beförderung weiterhin die Programmauswahl des Streaming-Riesen verantworten.

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