WANGELS/BERLIN: Der Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato könnte nun schnell gehen. Doch es gibt Widerspruch - nicht nur von Russland, auch aus dem Bündnis selbst. Gleichzeitig werden die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf den Hunger in der Welt immer bedrohlicher.
Der mögliche Nato-Beitritt Finnlands hat die nächste Hürde genommen, sorgt aber gleichzeitig auch für Misstöne innerhalb des Bündnisses. Nach Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin haben sich in Finnland auch Marins Sozialdemokraten am Samstag für eine Nato-Mitgliedschaft ihres Landes ausgesprochen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich derweil am Samstag irritiert über Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ihrer Ansicht nach müsste jedes demokratische Land eigentlich erfreut sein, wenn Demokratien mit starken Verteidigungsfähigkeiten das gemeinsame Bündnis stärker machten. Erdogan hatte tags zuvor erklärt, dass er «keine positive Meinung» zu einem möglichen Nato-Beitritts Finnlands und auch Schwedens hat. Außenminister Mevlüt Cavusoglu signalisierte dennoch Gesprächsbereitschaft.
Deutschland und die anderen G7-Staaten wollen den ukrainischen Streitkräften notfalls noch jahrelang Waffen und andere militärische Ausrüstung für den Kampf gegen die Angreifer aus Russland liefern. Darauf verständigten sich die Außenminister der sieben führenden demokratischen Industrienationen (G7) bei einem Treffen nahe dem Weißenhäuser Strand. Weiteres Thema war die globale Dimension einer möglichen Getreideknappheit durch den Krieg. Die G7 forderten Russland in ihrer Erklärung auf, die Exportblockade zu beenden. Die Ukraine gehört zu den größten Weizenexporteuren weltweit, kann aber derzeit nicht exportieren, weil sie die Kontrolle über die Häfen im Schwarzen und Asowschen Meer verloren hat.
Putin kritisiert finnische Pläne zu möglichem Nato-Beitritt
In einem Telefonat mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö hat Kremlchef Wladimir Putin den geplanten Nato-Beitritt Helsinkis als Fehler bezeichnet. Von Russland gehe keine Bedrohung für das Nachbarland aus, betonte Putin nach Kremlangaben bei dem Gespräch. Finnlands Abkehr von der traditionellen Neutralität werde zu einer Verschlechterung der bislang guten nachbarschaftlichen Beziehungen führen, warnte er.
Finnland und auch das benachbarte Schweden sind heute bereits enge Partner der Nato, aber keine offiziellen Mitglieder. Russlands Einmarsch in die Ukraine hat in beiden Ländern eine intensive Nato-Debatte ausgelöst.
Bei einem Treffen der Nato-Außenminister in Berlin nahmen am Samstag auch die Amtsinhaber Schwedens und Finnlands, Pekka Haavisto und Ann Linde, als Gäste teil. Theoretisch könnte die Türkei der Beitritt blockieren, da innerhalb der Nato nach dem Konsensprinzip entschieden wird. Der türkische Amtsinhaber Cavusoglu bekräftigte in Berlin die Vorbehalte seines Landes, sagte aber auch, dass die Türkei immer für eine «Politik der offenen Tür» gewesen sei. Haavisto sagte: «Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden.»
Waffen für die Ukraine - aber Getreide für die Welt wird knapp
Mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine hielten die G7-Außenminister in ihrer Erklärung fest: «Wir werden unsere laufende Militär- und Verteidigungshilfe für die Ukraine so lange wie nötig fortsetzen.» Deutschland hat derzeit den Vorsitz der Gruppe inne, der neben der Bundesrepublik die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Italien sowie Japan angehören.
Die Ukraine sieht in der Lieferung schwerer Waffen des Westens für den Kampf gegen Russland auch einen Beitrag zur weltweiten Versorgung mit Getreide. «Der Schlüssel für die Ernährungssicherheit in der Welt sind die Waffen für die Ukraine», schrieb Mychajlo Podoljak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, am Samstag bei Twitter.
Mit Blick auf die Getreideexporte hielten die G7-Außenminister fest, dass Russlands grundloser Krieg in der Ukraine die globalen Wirtschaftsaussichten mit nun stark steigenden Nahrungsmittel-, Kraftstoff- und Energiepreisen verschlechtert habe. Rund 43 Millionen Menschen stünden nur einen Schritt entfernt von einer Hungersnot. Geprüft würden nun Alternativen zum Schiffstransport von Getreide aus der Ukraine.
Der weltweit zweitgrößte Weizenproduzent Indien hat indes den Export seines Getreides mit sofortiger Wirkung verboten. Agarminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte den Schritt nach einem Treffen mit seinen G7-Amtskollegen in Stuttgart. «Wir haben alle miteinander, gerade die großen Exportnationen, auch eine Verantwortung für den Rest der Welt.» Die G7 sprechen sich Gastgeber Özdemir zufolge grundsätzlich gegen Exportstopps aus.
Neue Angriffe Russlands und noch keine Lösung für Asow-Kämpfer
Bei neuen Luftangriffen in der Ukraine hat Russland nach eigenen Angaben mehrere Gefechtsstände und zwei Munitionslager im Gebiet Donezk beschossen. Im Zuge der Schläge seien auch 23 Einheiten von Militärtechnik außer Gefecht gesetzt und bis zu 100 ukrainische Kämpfer «vernichtet» worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag in Moskau. Von unabhängiger Seite waren diese Angaben nicht überprüfbar.
Nach ukrainischen Angaben hat Russland unabhängig vom Ringen um eine Verhandlungslösung für die Kämpfer im Asow-Stahlwerk in Mariupol erneut die Industriezone beschossen. Es gebe Angriffe aus der Luft und am Boden, teilte der Mariupoler Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko am Samstag im Nachrichtkanal Telegram mit. Es würden nicht nur die Verteidiger von Mariupol selbst angegriffen, sondern auch ihre Familien.
Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk teilte am Samstag mit, es gehe aktuell um Verhandlungen für 60 Menschen, darunter verletzte Kämpfer und medizinisches Personal. «Dort sind einige Hundert Verletzte, sie müssen zuerst gerettet werden, weil die Russen für alle auf einmal keine Zustimmung erteilen», sagte sie. Die Männer und Frauen, die sich in dem Werk verschanzt haben, lehnen eine Kapitulation ab.
Zweieinhalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz keinen Sinneswandel bei Kremlchef Putin entdeckt. Das sagte der SPD-Politiker in einem am Samstag veröffentlichten Interview des Nachrichtenportals «t-online». Dabei sei klar, dass Russland keines seiner zu Beginn genannten Kriegsziele erreicht habe. Die Ukraine sei nicht erobert worden, sondern verteidige sich mit viel Geschick, Mut und Aufopferungswillen. Scholz hatte am Freitag mehr als eine Stunde lang mit Putin telefoniert.
Ukraine Favorit beim Eurovision Song Contest
Der russische Angriffskrieg überschattet in diesem Jahr auch den Eurovision Song Contest in Turin. Bei ihrem Auftritt am Samstagabend gaben die Musiker aus der Ukraine am Ende ihres Auftritts ein klares politisches Statement ab. «I ask all of you: Please help Ukraine, Mariupol, help Asov stal - right now», sagte Sänger Oleh Psjuk (Ich bitte Euch alle: Helft der Ukraine, Mariupol und den Menschen im Asow-Stahlwerk). Bei den Buchmachern steht der ukrainische Beitrag «Stefania» des Kalush Orchestras seit Wochen als klarer Favorit auf Platz eins. Die Entscheidung über den diesjährigen ESC-Sieger sollte in der Nacht auf Sonntag fallen.
Türkei hat Bedenken gegen Nato-Aufnahme von Finnland und Schweden
BERLIN: Die Türkei hat ihre Vorbehalte gegen eine Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato bekräftigt, gleichzeitig aber Gesprächsbereitschaft signalisiert. Sein Land sei immer für eine «Politik der offenen Tür» gewesen, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Samstagabend vor Beratungen mit den Außenministern der Bündnisstaaten in Berlin. Finnland und Schweden unterstützten jedoch «Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien. Außerdem habe es wegen des türkischen Kampfes gegen diese Gruppierungen Exportbeschränkungen gegeben für Rüstungsgüter, die von der Türkei aus dem Ausland bezogen würden.
Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung sei daher gegen eine Aufnahme dieser beiden Staaten in die Nato, «und sie rufen uns dazu auf, diese zu blockieren», sagte Cavusoglu. Über diese Dinge werde man reden müssen - «mit unseren Verbündeten in der Nato ebenso wie mit diesen Staaten».
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor mit ablehnenden Äußerungen zu einem möglichen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden für Unruhe im Bündnis gesorgt. «Derzeit beobachten wir die Entwicklungen bezüglich Schwedens und Finnlands, aber wir haben keine positive Meinung dazu», sagte er. Skandinavische Länder seien geradezu «Gasthäuser für Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.
Finnland und auch das benachbarte Schweden sind heute bereits enge Partner der Nato, offizielle Mitglieder bislang aber nicht. Russlands Einmarsch in die Ukraine hatte jedoch in beiden Ländern eine intensive Nato-Debatte ausgelöst. Beide Länder stehen nun kurz davor, einen offiziellen Aufnahmeantrag zu stellen.
Finnlands Außenminister Pekka Haavisto und die schwedische Außenministerin Ann Linde nehmen als Gäste an den Beratungen in Berlin teil.
Asselborn: Türkei sollte Nato-Beitritte nicht blockieren
BERLIN: Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat die Türkei aufgerufen, ihren Widerstand gegen eine mögliche Aufnahme von Schweden und Finnland aufzugeben. «Wenn beide Länder das wollen, und das scheint ja in diese Richtung zu gehen, dann darf keines der 30 Länder sich dagegenstellen», sagte Asselborn am Samstag mit Blick auf die derzeit 30 Mitgliedsstaaten der Nato.
Zugleich zeigte sich Asselborn zuversichtlich, dass es gelingen wird, die Vorbehalte Ankaras auszuräumen. Die Allianz werde wegen Russlands Präsident Wladimir Putin größer werden, sagte er. Davon sei er überzeugt. «Die Nato entwickelt sich vom Hirntod 2019 zu einer Wiedergeburt 2022».
Asselborn spielte damit auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an. Dieser hatte das Verteidigungsbündnis mehrfach öffentlich als «hirntot» bezeichnet und bis zum Ukraine-Krieg keinen Zweifel daran gelassen, dass er langfristig eher auf den Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion als auf eine Stärkung der Nato setzt.
Die Türkei hatte am Samstag ihre Vorbehalte gegen eine Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato bekräftigt, gleichzeitig aber Gesprächsbereitschaft signalisiert. Sein Land sei immer für eine «Politik der offenen Tür» gewesen, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
Finnland und Schweden unterstützten jedoch «Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien. Finnland und auch das benachbarte Schweden sind heute bereits enge Partner der Nato, offizielle Mitglieder bislang aber nicht.
Finnland setzt auf Lösung mit Türkei bei Nato-Beitritt
BERLIN: Finnland ist zuversichtlich, dass es türkische Vorbehalte gegen seinen anvisierten Beitritt zur Nato ausräumen kann. «Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden», sagte Außenminister Pekka Haavisto am Samstag am Rande von Beratungen mit den Kolleginnen und Kollegen der Bündnisstaaten in Berlin. Er könne allerdings nicht versprechen, dass alles in einer Nacht gelöst werden könne.
Zuvor hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit ablehnenden Äußerungen zu einem möglichen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden für Unruhe im Bündnis gesorgt. «Derzeit beobachten wir die Entwicklungen bezüglich Schwedens und Finnlands, aber wir haben keine positive Meinung dazu», sagte er. Skandinavische Länder seien geradezu «Gasthäuser für Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.
Erdogan hatte unter anderem Schweden aber auch anderen europäischen Ländern in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen die PKK oder die Gülen-Bewegung vorzugehen. Die türkische Führung macht die nach dem islamischen Geistlichen Fethullah Gülen benannte Gruppierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich. Theoretisch könnte sie einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden blockieren, da innerhalb der Nato nach dem Konsensprinzip entschieden wird.
Finnland und auch das benachbarte Schweden sind heute bereits enge Partner der Nato, offizielle Mitglieder bislang aber nicht. Russlands Einmarsch in die Ukraine hatte jedoch in beiden Ländern eine intensive Nato-Debatte ausgelöst. Beide Länder stehen nun kurz davor, einen offiziellen Aufnahmeantrag zu stellen.
Finnlands Außenminister Haavisto und die schwedische Außenministerin Ann Linde nehmen als Gäste an den Beratungen teil. Haavisto erklärte am Samstag, er habe bereits telefonisch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu gesprochen und wolle auch in Berlin noch einmal mit ihm sprechen. Grundsätzlich sei es wichtig zu allen 30 Nato-Staaten einen guten Kontakt zu haben, da alle den Beitrittsprozess blockieren könnten.
Baerbock hat kein Verständnis für Erdogans Kurs bei Nato-Erweiterung
WANGELS: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich irritiert über Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu einem möglichen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden geäußert. Eigentlich sollte jedes demokratische Land darüber erfreut sein, dass Demokratien mit starken Verteidigungsfähigkeiten das gemeinsame Bündnis stärker machen würden, sagte die Grünen-Politikerin am Samstag nach einem G7-Außenministertreffen in Weißenhaus an der Ostsee. Sie würde den Beitritt Finnlands und Schwedens «sehr, sehr unterstützen».
Baerbock betonte, dass nicht die Nato Finnland und Schweden zum Beitritt dränge, sondern das Agieren des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die beiden Länder seien gefestigte Demokratien, die seit Jahrzehnten mit all ihren Nachbarn in Frieden lebten.
Um den möglichen Nato-Beitritt der beiden nordischen Länder sollte es ab dem späten Samstagnachmittag bei einem Treffen der Außenminister der Nato-Staaten in Berlin gehen. Erdogan hatte sich zu dem Thema am Freitag überraschend ablehnend geäußert. «Derzeit beobachten wir die Entwicklungen bezüglich Schwedens und Finnlands, aber wir haben keine positive Meinung dazu», sagte er. Skandinavische Länder seien geradezu «Gasthäuser für Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.
Erdogan hatte unter anderem Schweden aber auch anderen europäischen Ländern in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen die PKK oder die Gülen-Bewegung vorzugehen. Die türkische Führung macht die nach dem islamischen Geistlichen Fethullah Gülen benannte Gruppierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich. Theoretisch könnte sie einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden blockieren, da innerhalb der Nato nach dem Konsensprinzip entschieden wird.
Finnland und auch das benachbarte Schweden sind heute bereits enge Partner der Nato, offizielle Mitglieder bislang aber nicht. Russlands Einmarsch in die Ukraine hat jedoch in beiden Ländern eine intensive Nato-Debatte ausgelöst. Aus Schweden hieß es am Freitag, Außenministerin Ann Linde wolle am Wochenende in Berlin mit ihrem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu reden. Sie wird wie auch Finnlands Außenminister Pekka Haavisto als Gast zu dem Treffen in Berlin erwartet.
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