Naiv oder schlau? Italiens Pakt mit China

Foto: epa/Riccardo Antimiani
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ROM/PEKING (dpa) - Es geht um Rindersamen, Orangen und Häfen. Und vor allem um politischen Einfluss Chinas in Europa. Italien geht einen heiklen Schulterschluss mit Peking ein. Und zeigt Partnern wie Deutschland die kalte Schulter.

Chinesische Produkte gibt es überall in Italien. Chinesische Touristen drängen sich von Venedig bis Rom bereits jetzt in Massen. Für italienische Modedesigner ist China längst einer der wichtigsten Märkte. Und legendäre Fußballclubs wie Inter Mailand sind schon jetzt in chinesischer Hand. Doch die europaskeptische Regierung in Rom will mit einem brisanten Polit-Deal mit Peking nun wirtschaftlich Anschluss an Länder wie Deutschland finden, die mehr Geschäfte mit China machen. Und das Land braucht dringend Geld. Kein Wunder also, dass der chinesische Staatspräsident Xi Jinping in Italien knapp vier Tage einen fast kaiserlicher Empfang genießen darf.

Als erste große Wirtschaftsnation, als erstes Mitglied der sieben Industriemächte (G7) und als erster großer EU-Staat hat sich Italien am Samstag Chinas Initiative für eine «Neue Seidenstraße» angeschlossen. Unter dem Namen will sich China mit Milliardeninvestitionen Handelswege auf der ganzen Welt erschließen. Was verheißungsvoll klingt, alarmiert die übrigen großen EU-Staaten und die USA.

«Es ist naiv zu denken, dass man im Gegenzug für Wohlgefallen für die chinesische Regierung große wirtschaftliche Unterstützung bekommt», sagte Lucrezia Poggetti vom Mercator Institute for China Studies. «China sitzt am längeren Hebel» und verschaffe sich «Legitimität» für ein höchstumstrittenes Projekt. Italien breche zudem mit seinen historischen EU-Partnern wie Frankreich und Deutschland, die dem «Seidenstraßen»-Deal skeptisch gegenüberstehen.

Bei den nun unterzeichneten Abkommen geht es unter anderem um Rindersamen, Orangen und tiefgefrorenes Schweinefleisch aus Italien, das nun nach China exportiert werden darf. Es geht um Investitionen für die Häfen in Triest und Genua, die im Vergleich zu Hamburg oder Rotterdam alt aussehen. «Für uns ist heute ein Tag, an dem «Made in Italy» gewinnt, an dem Italien gewinnt, an dem die italienischen Unternehmen gewinnen», jubelte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung. Rom kommt das Engagement gerade recht. Das Land ist in die Rezession gerutscht, die Staatsverschuldung ist exorbitant hoch. Vielerorts ist die Infrastruktur marode, wie der Brückeneinsturz von Genua gezeigt hat.

Bei dem auch «Belt and Road» (BRI) genannten Vorhaben geht es der kommunistischen Führung in Peking um Investitionen in Häfen, Straßen, Bahnstrecken, Telekom-Netze oder Flughäfen. Geld soll in Wirtschafts- und Handelskorridore zwischen China und Europa, Afrika, bis nach Lateinamerika, aber auch innerhalb Asiens fließen.

Der nationale Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten warnte, China verfolge einen «räuberischen Ansatz», der den italienischen Bürgern keine Vorteile bringe. Berlin, Brüssel und Washington haben große Bedenken - auch wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit offener Kritik an Italien zurückhielt. Sie bemerkte beim Gipfel in Brüssel allerdings, dass «es noch besser ist, wenn man einheitlich agiert».

Diplomaten sehen eine Unterordnung unter Chinas Version einer neuen Weltordnung. China wolle den Rückzug der Supermacht USA unter US-Präsident Donald Trump und seiner «Amerika-Zuerst»-Politik nutzen, in das dadurch entstehende politische Vakuum vorzustoßen.

Überhaupt fehle es den Projekten an Transparenz, internationalen Standards, Umweltschutzgarantien, fairen Wettbewerbsbedingungen und öffentlichen Ausschreibungen, die gerade in einem EU-Land wie Italien eingehalten werden müssten, heißt es. Das Geschäft machten zumeist chinesische Unternehmen, die dann noch eigene Arbeiter schickten.

Mehr als 100 Länder haben die Absichtserklärung schon unterschrieben, darunter auch osteuropäische Staaten. Gerade für ärmere Länder sind die Pläne interessant, weil sonst niemand bei ihnen investieren will. Denn hinter blumiger diplomatischer Sprache stecke so mancher «Fallstrick», warnen EU-Diplomaten. Obacht sei vor den Gefahren einer Schuldenfalle geboten, wie es sich bereits in Ländern wie Sri Lanka oder Pakistan offenbart. Auch wird vor einem «Trojanischen Pferd» gewarnt - also, dass die Pekinger Führung heimlich ihren politischen Einfluss ausbaut und die Abhängigkeiten wachsen.

Das alles entspricht eigentlich nicht der «Italien-Zuerst»-Politik, die die Regierung aus rechter Lega und populistischer Sterne-Bewegung verfolgt. Doch Italien sei als entwickelte Wirtschaftsmacht «deutlich weniger gefährdet» als andere Länder, von China vereinnahmt zu werden, versichert Regierungschef Giuseppe Conte.

Aber es gibt auch Skeptiker. Vize-Regierungschef Matteo Salvini betonte, Italien wolle keine chinesische «Kolonie» werden. Bei Xis Besuch in Italien ließ sich der sonst so dauerpräsente Salvini dann auch gar nicht blicken.

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Jürgen Franke 24.03.19 19:44
Italien hat es schnell erkannt, denn China
ist die Zukunft. Italien ist durch den Euro hoch verschuldet, da sie Italiener die Kriterien nicht beachtet haben und hoffe nun, dass die Chinesen ihnen etwas helfen.