Lubminer LNG-Terminal an der Ostsee betriebsbereit

Das Zusammenspiel mehrerer Schiffe soll in Lubmin die Einspeisung von bis zu 5,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich ermöglichen. Foto: Jens Büttner/dpa
Das Zusammenspiel mehrerer Schiffe soll in Lubmin die Einspeisung von bis zu 5,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich ermöglichen. Foto: Jens Büttner/dpa

LUBMIN: Im Eiltempo bringt Deutschland LNG-Terminals in Stellung. Nach Wilhelmshaven hat Bundeskanzler Olaf Scholz nun auch an der Ostsee eins eröffnet. Es wird nicht das letzte bleiben. Die Geschwindigkeit sorgt auch für Kritik.

Viele entschlossene Mienen und ein großes Schiff - so sieht Deutschlands Ringen um mehr Unabhängigkeit bei der Gasversorgung aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Samstag in Lubmin ein schwimmendes Flüssigerdgas-Terminal offiziell in Betrieb genommen - nach dem Terminal im niedersächsischen Wilhelmshaven das zweite in Deutschland. «Es war ein gutes Gefühl», sagte der Kanzler vor rund 80 Journalisten aus mehreren Ländern, nachdem er vorher zusammen mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) symbolisch die Leitung aufgedreht hatte.

Flüssigerdgas (LNG) wird per Schiff aus verschiedenen Regionen der Welt geliefert, wieder in Gas umgewandelt und als Erdgas in das Gasnetz eingespeist. Es soll dazu beitragen, ausbleibende russische Gaslieferungen zu ersetzen. Wie in Wilhelmshaven nimmt in Lubmin ein Spezialschiff das LNG auf, wandelt es um und speist es ein.

«Wir werden diese Kapazitäten hier und auch andernorts weiter ausbauen unter anderem auch mit festen Terminals, aber auch mit weiteren Regasifizierungsschiffen», kündigte Scholz an. Kommende Woche solle ein solches Spezialschiff auch in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein ankommen. Ein weiteres soll bis kommenden Winter etwa in Stade sowie ein zusätzliches vor Lubmin betriebsbereit sein.

Die Spezialschiffe können schneller in Stellung gebracht werden als feste Anlagen. Sie können allerdings in Abhängigkeit der Gegebenheiten vor Ort jeweils nur rund fünf Milliarden Kubikmeter pro Jahr ins Gasnetz einspeisen. Über die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 1 waren 2021 fast 60 Milliarden Kubikmeter gekommen. Nach früheren Angaben will Deutschland im Winter 2023/24 etwa ein Drittel des bisherigen Gasbedarfs über die schwimmenden LNG-Terminals decken.

War vergangenes Jahr noch vor einer Gasmangellage in diesem Winter gewarnt worden, zeigte sich Scholz am Samstag optimistisch. «Wir kommen durch diesen Winter, jeder merkt es bei sich zu Hause, die Gasversorgung ist nicht beeinträchtigt.» Auch eine Wirtschaftskrise sei ausgeblieben. Zuletzt waren die Gasspeicher in Deutschland noch zu über 90 Prozent gefüllt. Unter anderem haben Privathaushalte und Wirtschaft ihren Verbrauch gesenkt.

Normalerweise leeren sich die Speicher während der Heizperiode. Laut Prognosen könnte Deutschland in diesem Jahr mit besser gefüllten Speichern aus dem Winter kommen als vergangenes Jahr. Allerdings müssen sie in diesem Jahr ohne direkte Gaslieferungen aus Russland wieder aufgefüllt werden.

Deutschland legt beim Aufbau einer eigenen LNG-Infrastruktur nach Worten des Bundeskanzlers eine neues «Deutschland-Tempo» an den Tag. In Lubmin waren die ersten Anträge erst im vergangenen Sommer eingegangen. Die Bauarbeiten im Hafen hatten erst im September begonnen.

Kritiker sprechen von einem zu hohen Tempo auch mit Verweis auf die derzeit gute Versorgungslage. Umweltverbände etwa kritisieren ein aus ihrer Sicht übereiltes Genehmigungsverfahren. Gegen die Genehmigung für das Terminal in Wilhelmshaven hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bereits Widerspruch eingelegt. Für Lubmin hat die DUH einen solchen angekündigt. Aus ihrer Sicht sind etwa der Brandschutz, aber auch Umweltauswirkungen nicht ausreichend berücksichtigt.

Doch die Kritik entzündet sich nicht nur am Tempo. Umweltverbände kritisieren auch, dass Deutschland langfristig Überkapazitäten für den Gasimport schaffe und so den angestrebten Ausstieg aus fossilen Energieträgern behindere. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte darauf verwiesen, dass es bei geplanten Projekten auch Unsicherheiten gebe und Sicherheitspuffer für mögliche Ausfälle nötig seien. Zudem gehe es um eine erweiterte Infrastruktur in Europa, von der andere Länder profitieren könnten.

Zudem gibt es Beschwerden von Anwohnern über eine starke Lärmbelästigung, die sie mit dem Terminal in Verbindung bringen. Das zuständige Landesumweltministerium hat bereits Messungen veranlasst. In Sachen Brandschutz verwies es darauf, dass das Spezialschiff eine eigene Betriebsfeuerwehr habe und auch das benachbarte Entsorgungswerk für Nuklearanlagen über eine solche verfüge.

«Trotz aller Geschwindigkeit wurde gründlich gearbeitet», betonte der zuständige Landesminister Till Backhaus (SPD). Der Genehmigungsbescheid enthalte 112 Nebenbestimmungen, die dem Naturschutz und der Brandverhütung dienten. Sollten in Sachen Lärm Grenzwerte überschritten werden, müsse der Betreiber nachbessern. Nach Aussage Schwesigs ist es zudem Ziel der Landesregierung, eine Standortfeuerwehr in Lubmin einzurichten sowie eine Landstromanlage für den Hafen. Vermeintlicher Lärm wird teilweise in Verbindung mit Generatoren des Spezialschiffs gebracht.

Die feierliche Eröffnung war begleitet von Protesten. Die Polizei sprach im Nachhinein von insgesamt rund 280 Teilnehmern an zwei Orten. Mobilisiert hatten im Vorfeld Naturschützer, aber den Mottos der Anmeldungen nach zu urteilen auch Anwohner, die sich durch Lärm gestört fühlen. In Lubmin waren allerdings auch Russland-Fahnen, anti-amerikanische sowie staats- und medienkritische Slogans zu sehen.

Das Lubminer Terminal ist das nach Betreiberangaben bislang einzige komplett privat finanzierte Terminal in Deutschland. Das Unternehmen Deutsche Regas bezifferte die Kosten auf etwa 100 Millionen Euro, die aus Eigenkapital und von Investoren stammten. Anfang der Woche war im Rahmen eines genehmigten Testbetriebs erstmals Gas ins Netz eingeleitet worden.

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