Nachrichten aus der Wirtschaft am Sonntag

Robert Habeck, deutscher Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, in Berlin. Foto: epa/Andreas Gora
Robert Habeck, deutscher Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, in Berlin. Foto: epa/Andreas Gora

Industrie unterstützt Pläne Habecks für weniger Gasverbrauch

BERLIN: Die Industrie unterstützt Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), angesichts der Drosselung russischer Gaslieferungen den Gasverbrauch zu senken. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattstunde zählt. Priorität muss sein, die Gasspeicher zu füllen für den kommenden Winter.

Deutschland müsse möglichst viele andere Quellen auftun. Unternehmen müssten umstellen zum Beispiel auf Öl, wo das gehe. «Aber eine Reihe industrieller Prozesse funktioniert nur mit Gas. Ein Gasmangel droht zum Stillstand von Produktion zu führen», so der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie.

Die Gasverstromung müsse gestoppt und sofort Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt werden, bekräftigte Russwurm. «Aktuell geht es um kurzfristige Überbrückungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung, nicht um einen Termin des Kohleausstiegs 2038 oder 2030.» Die erneuerbaren Energien müssten massiv beschleunigt werden. «Deutschland muss sich endlich von lähmenden Klein-Klein-Debatten und Blockadehaltungen verabschieden und beim Erneuerbaren-Ausbau runter von der Bremse. Politik und Verwaltung müssen schleunigst den Turbo einschalten für die Ausweisung neuer Flächen für Windkraft- und Solarkraftanlagen und für schnellere Genehmigungen.»

Habeck will zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen und die Vorsorge zu erhöhen. Er bezeichnete die Situation als ernst. Um gegenzusteuern, soll der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie gesenkt werden. Mehr Kohlekraftwerke sollen zum Einsatz kommen. Die Befüllung der Gasspeicher soll vorangetrieben werden, um für den Winter gewappnet zu sein.


Habeck zur Gasversorgung: «Es ist eine angespannte, ernste Lage»

BERLIN: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat angesichts schrumpfender Gasströme aus Russland erneut die schwierige Situation für Deutschland hervorgehoben. «Da will ich nicht drumherumreden: Es ist eine angespannte, ernste Lage», sagte der Grünen-Politiker am Sonntagabend im ZDF-«heute journal». «Es war immer klar, dass wir bei Gas in einer großen Abhängigkeit sind.»

Habeck zeigte sich aber auch zuversichtlich, dass die Versorgung für den kommenden Winter sichergestellt werden könne. «Entscheidend ist, dass die Gasspeicher zum Winter hin gefüllt sind - und zwar bei 90 Prozent liegen». Derzeit seien es 57 Prozent - durch Einkäufe und Sparsamkeit müsse die Differenz ausgeglichen werden. Wenn die Speicher voll seien, reiche dies für etwa zweieinhalb Monate - ohne weitere Quellen. Allerdings sei geplant, dass Deutschland auch im Winter weiter Gas beziehe aus dem Ausland - selbst wenn aus Russland keins mehr fließe.

Es sei «eine Art Armdrücken», bei dem Kremlchef Wladimir Putin zunächst den längeren Arm habe. «Aber das heißt nicht, dass wir nicht durch Kraftanstrengung den stärkeren Arm bekommen könnten», meinte Habeck.

Der Vizekanzler will den Einsatz von Gas für Stromerzeugung und Industrie senken und es sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Sie sollen die Stromerzeugung in mit Erdgas befeuerten Kraftwerken soweit wie möglich ersetzen, um Erdgas einzusparen. Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert.


EU-Handelskammer legt Jahresumfrage für China vor

PEKING: Vor dem Hintergrund der strengen Corona-Maßnahmen in China veröffentlicht die Pekinger EU-Handelskammer am Montag ihre jährliche Umfrage zum Geschäftsklima.

Europäische Unternehmen, die in China aktiv sind, haben in den vergangenen Monaten unter massiven Einschränkungen gelitten. Die chinesische Wirtschaft war wegen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in der ersten Jahreshälfte unter Druck geraten. Viele Millionen Menschen waren von Ausgangssperren betroffen. Die wichtige Wirtschaftsmetropole Shanghai befand sich seit Anfang April für zwei Monate in einem Komplett-Lockdown.


Italien beteiligt sich an großem Flüssiggas-Projekt in Katar

ROM/DOHA: Auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas hat Italien einen milliardenschweren Deal mit Katar abgeschlossen. Der teilstaatliche Energieversorger Eni gab am Sonntag eine Partnerschaft mit QatarEnergy bei einem großen Flüssiggas-Projekt bekannt. Die zwei Konzerne gründeten dafür ein Unternehmen, das 12,5 Prozent an dem Expansionsprojekt North Field East (NFE) halten wird. Dieses soll den Export von Flüssiggas aus dem arabischen Land von derzeit 77 auf 110 Millionen Tonnen pro Jahr steigern.

Die Laufzeit der Kooperation beträgt 27 Jahre. In dem sogenannten Joint Venture wird Eni 25 Prozent der Anteile halten, der Rest gehört QatarEnergy. Vor Eni hatte der Golfstaat schon mit dem französischen Energiekonzern Totalenergies ein ähnliches Abkommen abgeschlossen.

Italien war jahrelang von Gas aus Russland abhängig; durch den Krieg in der Ukraine und die westlichen Sanktionen gegen Moskau sucht Rom aber intensiv nach Alternativen. Unter anderem baute Italien zuletzt schon die Zusammenarbeiten mit Gas-Exporteuren wie etwa Algerien aus.


Gasspeicher-Füllstand: Wie lange reichen eigentlich rund 57 Prozent?

BERLIN: Die Gasspeicher in Deutschland sind zu rund 57 Prozent gefüllt. Doch was bedeutet das?

Laut Branchenverband Ines können die Speicher in Deutschland insgesamt Gas mit einem Energiegehalt von maximal rund 256 Terawattstunden speichern. Das entspricht etwa einem Viertel des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland (rund 1000 Terawattstunden). «Dieses Speichervolumen alleine kann Deutschland zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas versorgen», sagt die Bundesregierung. Gut 56 Prozent dieses Volumens würden im Winter also gut ein bis anderthalb Monate reichen bei unverändertem Verbrauch - wohlgemerkt theoretisch.

Denn ist zu beachten, dass genau dieser Verbrauch bei einer sogenannten Gasmangellage noch deutlich sinken würde. Schon jetzt ist der Gasverbrauch in Deutschland infolge der stark gestiegenen Preise deutlich zurückgegangen. Hinzu kommt, dass bei einem Wegfall russischer Gaslieferungen weiterhin Pipeline-Gas etwa aus Norwegen und den Niederlanden fließen dürfte. Außerdem wird damit gerechnet, dass Deutschland über Anlandeterminals im Ausland dann weiterhin verflüssigtes Erdgas (LNG) erhält. Schließlich wird in Deutschland auch Erdgas gefördert. Die Frage, wie lange wir mit dem aktuell gespeicherten Erdgas hinkämen, ist also nur näherungsweise zu beantworten.

Ein neues Gasspeichergesetz soll dafür sorgen, dass die Speicher zum Beginn des Winters ausreichend gefüllt sind. Es schreibt einen Füllstand von 80 Prozent zum 1. Oktober, von 90 Prozent zum 1. November und von 40 Prozent zum 1. Februar vor. Mit dem Gesetz werden die Speicherbetreiber in Deutschland verpflichtet, ihre Speicher schrittweise zu füllen. Es könne im Saldo weiterhin Gas eingespeichert werden, hieß es am Sonntag von der Bundesnetzagentur.


Moskau verärgert über Litauens Transitbeschränkungen nach Kaliningrad

MOSKAU: Die politische Führung in Moskau hat verärgert auf Litauens Beschränkungen des Bahntransits zwischen der zu Russland gehörenden Ostsee-Exklave Kaliningrad und dem russischen Kernland reagiert. Die «beginnende Blockade» Kaliningrads verstoße gegen internationales Recht, schrieb der Vizechef des russischen Föderationsrats, Konstantin Kossatschow, einer der führenden Außenpolitiker Russlands, in der Nacht zum Sonntag auf seinem Telegram-Kanal. Die Exklave Kaliningrad um das ehemalige Königsberg liegt zwischen Litauen und Polen. Sie ist nur etwa 500 Kilometer von Berlin, aber mehr als 1000 Kilometer von Moskau entfernt.

«Als EU-Mitgliedsland verletzt Litauen im Rahmen der Sanktionen (nationales Recht) eine ganze Reihe juristisch verbindlicher internationaler Rechtsakte, die nicht nur die Pflichten Litauens selbst, sondern auch die der EU insgesamt betreffen», schrieb Kossatschow. So sei im Partnerschaftsvertrag zwischen der EU und Russland festgehalten, dass keine der beiden Seiten den Transit der jeweils anderen störe. Wenn das so weitergehe, werde der Westen wohl bald auch die Freiheit der Meere in Frage stellen und den Seezugang nach Kaliningrad sperren, vermutete er.

Litauen hat seit Samstag den Bahntransit von Waren über sein Territorium nach Kaliningrad verboten, die auf westlichen Sanktionslisten stehen. Laut dem Chef der Gebietsverwaltung in Kaliningrad, Anton Alichanow betrifft dies 40 bis 50 Prozent aller Transitgüter, wie Baumaterialien und Metalle.

In den Talkshows des russischen Staatsfernsehens werden seit Wochen Forderungen laut, einen «Korridor» von Kernrussland nach Kaliningrad zu erobern. Das würde einen russischen Angriff auf die Nato-Staaten Lettland und Litauen bedeuten.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ling Uaan 20.06.22 16:10
Habeck, Scholz
und die Bundesregierung schlagen sich doch echt wacker. Haben die meisten Fettnäpfchen ausgelassen, reagieren in diesen Krisenzeiten sachlich und mit ruhiger Hand, einige springen sogar über ihren eigenen Schatten - Respekt.

Kann das permanente genörgle an dieser Bundesregierung nicht nachvollziehen, auch nicht das vom Merz. Und das sage ich als CSU Stammwähler.

Just my five Cents.
Derk Mielig 20.06.22 15:30
Was soll Habeck auch tun
Er hat immer ehrlich gesagt, dass uns Öl- und Gasembargo arg schädigen werden. Er hat auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihm bei dem Vertrag mit Katar unwohl ist. Was wäre die Alternative, außer den Russen nichts entgegen zu setzen? Mir fällt keine ein.
Rene Amiguet 20.06.22 14:50
Pläne Habecks für weniger Gasverbrauch
Man muss geradezu von (grüner) Weisheit strotzen um auf eine solche Idee zu kommen.