USA erhöhen Druck auf Assad - Sanktionen verschärfen Wirtschaftskrise

Tausende von Syrern versammeln sich auf dem Umayyaden-Platz in Damaskus. Foto: epa/Youssef Badawi
Tausende von Syrern versammeln sich auf dem Umayyaden-Platz in Damaskus. Foto: epa/Youssef Badawi

DAMASKUS/WASHINGTON: Die Landeswährung auf Talfahrt, die Preise für Lebensmittel auf Rekordhöhe: Im Bürgerkriegsland Syrien wachsen Hunger und Armut. Und jetzt verhängt Washington eine Reihe neuer Sanktionen gegen Assad.

Mit neuen Sanktionen gegen Syriens Präsidenten Baschar al-Assad und dessen Machtelite wollen die USA den Druck auf die Regierung in Damaskus weiter erhöhen. Auf der Sanktionsliste stehen 39 Namen, darunter neben Syriens Staatschef auch dessen Frau Asma und dessen Bruder Mahir, wie US-Außenminister Mike Pompeo am Mittwoch mitteilte. Die schwere Wirtschaftskrise in dem Bürgerkriegsland droht durch die Maßnahme noch größer zu werden.

Pompeo erklärte, es handele sich um den Beginn einer Kampagne, um Assad mit wirtschaftlichem und politischem Druck Einnahmen und Unterstützung zu verwehren. Sie werde erst stoppen, wenn das Regime den unnötigen brutalen Krieg gegen das syrische Volk beende. Zu den Sanktionen zählen Reisebeschränkungen und finanzielle Strafmaßnahmen.

Betroffen sind auch Personen und Firmen, die an einem geplanten neuen Luxusviertel in der Hauptstadt Damaskus beteiligt sind. Die Sanktionen schlössen regime-treue Geldgeber ein, die die korrupten Wiederaufbaubemühungen unterstützten, erklärte das Weiße Haus.

Erlassen wurden sie im Zuge des sogenannten Caesar Acts, der an diesem Mittwoch in Kraft trat. Er sieht vor, dass Washington weltweit Strafmaßnahmen gegen Personen und Firmen verhängen kann, wenn sie mit Syriens Regierung oder den neu sanktionierten Personen Geschäfte machen. Die USA hatten kurz nach dem Ausbruch der Proteste gegen Assad 2011 erstmals direkte Sanktionen gegen ihn beschlossen.

Das Bürgerkriegsland erlebt sei Monaten eine schwere Wirtschaftskrise. Schon jetzt klagen viele Syrer über massiv steigende Preise und einen Mangel an lebenswichtigen Gütern wie Medikamente. Das syrische Pfund erlebt seit Monaten eine Talfahrt.

In der vergangenen Woche war es auf dem Schwarzmarkt auf ein Rekordtief gefallen. Ein Dollar kostete zeitweise 3500 syrische Pfund. Syriens Zentralbank entwertete das Pfund am Mittwoch und setzte den offziellen Kurs zum Dollar von 704 auf 1256 Pfund.

Gleichzeitig berichten Syrer aus den Regierungsgebieten von massiven Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und anderen Gütern. Einige Waren seien um 60 bis 70 Prozent teurer geworden, erzählte ein Angestellter eines staatlichen Unternehmens. Oft reichen die Einkommen der Syrer nicht mehr aus, um über den Monat zu kommen.

Das UN-Nothilfebüro Ocha meldet, dass es landesweit zunehmend Hunger und Armut gebe. Rund 9,3 Millionen Menschen in Syrien hätten nicht genug zu Essen - eine Rekordzahl und 1,4 Millionen mehr als vor einem halben Jahr, sagte Ocha-Sprecherin Danielle Moylan. «Zu dieser neuen Krise tragen vor allem Rekordlebensmittelpreise bei.» Sie hätten dem Welternährungsprogramm WFP zufolge ein Rekordhoch erreicht.

Bislang richteten sich die US-Sanktionen im Wesentlichen direkt gegen die syrische Führung um Machthaber Assad. Die neuen Strafmaßnahmen gehen auf den im vergangenen Dezember vom beschlossenen Caesar Act zurück. Washington kann nun weltweit Personen und Firmen bestrafen - und zwar nicht nur, wenn sie mit Syriens Machtelite Geschäfte machen, sondern auch, wenn sie russische und iranische Militäraktivitäten im Bürgerkriegsland unterstützen. Treffen könnten die Sanktionen etwa die libanesiche Schiitenmiliz Hisbollah, die in Syrien kämpft.

Ausdrücklich sanktioniert werden vor allem Aktivitäten beim Ausbau der syrischen Öl- und Gasproduktion sowie im Bausektor. Das kann Firmen treffen, die in den Wiederaufbau Syriens investieren wollen.

Syriens Regierung verurteilte die Verschärfung der Sanktionen im Vorfeld als «Wirtschaftsterrorismus». Er basiere auf «Lügen und fabrizierten Behauptungen», erklärte das Außenministerium in Damaskus. Am Mittwoch teilte es mit, mit den neuen Sanktionen sei die US-Regierung auf das Niveau von «Banden und Wegelagerern» gesunken.

Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestragsfraktion, Omid Nouripour, erklärte, es sei sinnvoll, den Druck auf das Assad-Regime aufrecht zu erhalten. Neue Sanktionen gegen Damaskus dürften jedoch nicht kolektiv die Nachbarländer wie den Libanon bestrafen, die existenziell auf täglichen Handel mit Syrien angewiesen seien.

Die neuen Sanktionen seien darauf ausgerichtet, die Isolation des syrischen Regimes zu verstärken sowie den Wiederaufbau und die Stabilisierung des Landes unmöglich zu machen, sagte der Syrien-Experte Aron Lund der Deutschen Presse-Agentur. Kritiker warnen jedoch, dass die Strafmaßnahmen weniger die Führung um Machthaber Assad als vielmehr die syrische Bevölkerung treffen dürften. Humanitäre Hilfe ist von dem Gesetz nicht betroffen.

Sanktionsexpertin Julia Friedlander von der Denkfabrik Atlantic Council in Washington erklärte, der Caesar Act sei «in gewisser Weise symbolisch». Die USA könnten bereits weitgehende Sanktionen gegen Syrien verhängen, das Gesetz verleihe den Bemühungen neuen Nachdruck.

Benannt ist das Gesetz nach einem früheren syrischen Militärfotografen mit dem Decknamen «Caesar». Er hatte Tausende Fotos von Folteropfern aus dem Land geschmuggelt und so wesentlich dazu beigetragen, die Gräueltaten der syrischen Regierung bloßzulegen.

Nach mehr als neun Jahren Bürgerkrieg beherrschen Assads Anhänger wieder mehr als zwei Drittel des Landes. International ist die Führung in Damaskus aber stark isoliert. Ihr mangelt es an finanziellen Mitteln, um zerstörte Gebiete wiederaufzubauen. Der Regierung fehlen unter anderem Einnahmen, weil die wichtigsten Öl- und Gasreserven im Osten des Landes außerhalb ihrer Kontrolle sind. Syrien spürt außerdem die Auswirkungen der Wirtschaftskrise im benachbarten Libanon, über den das Land einen Großteil seiner Geschäfte macht. Die Corona-Pandemie verschärft die Lage weiter.

Wegen der Wirtschaftskrise war es in den vergangenen Tagen in der südsyrischen Stadt Al-Suwaida, die eigentlich mehrheitlich als regierungstreu gilt, mehrfach zu Protesten gegen Assad gekommen. Zudem gibt es Anzeichen über Verteilkämpfe innerhalb der Machtelite.

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