Neuer Polizeichef in Afghanistan tritt Amt an

Archivbild: epa/Gregor Fischer
Archivbild: epa/Gregor Fischer

KABUL (dpa) - In Masar-i-Scharif weigert sich ein entlassener Polizeichef, seinen Posten zu räumen. Kabul schickt Spezialkräfte, um den neuen Mann ins Büro zu begleiten. Das geht nicht unblutig ab.

Im nordafghanischen Masar-i-Scharif hat der neue Polizeichef der Provinz Balch nach mehrstündigen Gefechten zwischen Polizisten seine Arbeit aufgenommen. Die Stadt ist ein Bundeswehr-Standort. Die Schusswechsel hatten am Donnerstagmorgen begonnen, nachdem der vor wenigen Tagen von Präsident Aschraf Ghani eingesetzte Abdul Rakib Mubaris mit Spezialkräften vom Flughafen zum Polizeihauptquartier aufgebrochen war. Dort stießen die Kräfte mit anderen Polizisten zusammen - Anhängern seines Vorgängers, der seinen Posten nicht räumen wollte.

Laut dem Provinzrat Mohammed Saleh wurden bei den Schusswechseln auch Raketen eingesetzt. Lokale Medien berichteten, private Milizen hatten sich in der Stadt positioniert. Die UN-Mission in Afghanistan (Unama) rief alle Parteien dazu auf, die Spannungen unverzüglich zu deeskalieren und eine gewaltfreie Lösung zu finden.

Der ehemalige Gouverneur von Balch, Mohammed Atta Nur, hatte die Bewohner der Stadt am Mittwochabend dazu aufgerufen, zuhause zu bleiben und Geschäfte nicht zu öffnen. Er warf Kabul vor, einen Komplott gegen Balch zu schmieden. Medien zufolge ist der alte Polizeichef ein Verbündeter des Ex-Gouverneurs.

Atta Nur, der Balch regiert hatte wie ein König, war im Dezember 2017 von Ghani als Gouverneur entlassen worden. Auch er hatte sich monatelang geweigert, abzutreten. Der gefährliche Machtkampf zwischen ihm und Präsident Ghani wurde erst nach vier Monaten beigelegt.

Fernsehbilder zeigten am späten Donnerstagnachmittag Mubaris, wie er umringt von Spezialkräften hinter einem Schreibtisch sitzt, und Bilder von zerstörten Barrikaden vor dem Polizeihauptquartier. Mubaris sagte Journalisten, es habe in der Stadt ein paar Missverständnisse gegeben. Die Sicherheitskräfte hätten aber alle entwaffnet, die sich gegen seine Ernennung gewährt hätten. Er werde alle bekämpfen, die gegen die Regierung seien.

In Masar-i-Scharif liegt das einzige große Bundeswehrlager in Afghanistan, Camp Marmal. Der Großteil der rund 1200 derzeit nach Afghanistan entsandten deutschen Soldaten ist dort stationiert.

In Afghanistan ist es nicht unüblich, dass Behördenvertreter ihre Posten nicht räumen. Der Bürgermeister der nördlichen Stadt Faisabad etwa wollte seine Entlassung nicht akzeptieren. Als sein Nachfolger ankam, wurde dieser von Anhängern des eigentlich abberufenen Bürgermeisters verprügelt, woraufhin er die Stadt wieder verließ.

Auch der Vize des Regierungsgeschäftsführers Abdullah Abdullah, Mohammed Mohakik, war von Präsident Ghani Ende Januar entlassen worden. Mohakik führt seine Arbeit ungeachtet dessen fort und nimmt auch an Kabinettssitzungen teil. Auf die Frage, ob Mohakik weiter im Amt sei, fragte ein Sprecher des Präsidentenpalastes, hörbar genervt: «Wie oft kann man jemanden feuern?».

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