Nach Durchbruch bei EU-Gipfel muss Johnson um Brexit-Deal kämpfen

Foto: epa/Julien Warnand
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BRÜSSEL/LONDON (dpa) - Zu Halloween will der britische Premier Boris Johnson raus aus der EU. Dafür hat er mit Brüssel nach langem Ringen einen Deal geschlossen. Doch ist immer noch unsicher, ob der Austritt aus der EU Ende Oktober auch wirklich kommt. Am Samstag ist Showdown.

Nach dem Brexit-Deal mit der EU muss der britische Premierminister Boris Johnson für eine Mehrheit zuhause im Parlament kämpfen. Wegen massiven Widerstands vieler Abgeordneter ist eine Mehrheit bei der Abstimmung am Samstag völlig ungewiss.

Unterstützung bekam Johnson vom erzkonservativen Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg: «Ich bin sehr glücklich über den Deal, den Premierminister Boris Johnson mit der Europäischen Union erreicht hat», sagte Rees-Mogg von der Regierungspartei in einer Video-Botschaft auf Twitter. Er könne dieses Abkommen mit Begeisterung empfehlen.

Auch der frühere Premier David Cameron bewertete den am Donnerstag geschlossenen Brexit-Vertrag positiv. Wäre er noch Abgeordneter, würde er für den Deal stimmen, sagte Cameron. Er rechne bei der Abstimmung mit einer Mehrheit im Parlament - auch wenn es knapp werden dürfte.

Der Brexit-Durchbruch war am Donnerstag kurz vor einem EU-Gipfel in Brüssel gelungen. Allerdings gab es in Großbritannien sogleich heftigen Widerstand gegen den ausgehandelten Brexit-Vertrag. Die oppositionelle Labour-Partei will nicht zustimmen und auch Johnsons parlamentarischer Partner, die nordirische Protestantenpartei DUP, machte seine Ablehnung deutlich.

Bis zur Abstimmung am Samstag wird Johnson versuchen, möglichst viele Abgeordnete hinter dem Deal zu versammeln. Er hat im Unterhaus ohnehin keine Mehrheit und kann nur auf Unterstützung aus der Opposition hoffen. Auf Nachfrage sagte er beim EU-Gipfel nur, er sei «sehr zuversichtlich», dass Abgeordnete aller Parteien bei näherer Prüfung des Abkommens den Nutzen einer Zustimmung erkennen könnten.

Der britische Premier will sein Land unbedingt zu Halloween, am 31. Oktober, aus der Staatengemeinschaft führen. Lange hatte er versichert, Großbritannien werde auch ohne Deal aussteigen. Ein britisches Gesetz verpflichtet ihn aber, bei der EU um Aufschub zu bitten, falls bis Samstag kein Abkommen vom Parlament gebilligt ist. In dem Fall dürften die EU-Staaten dies auch gewähren.

In der Nacht zu Freitag verhakten sich die Staats- und Regierungschefs im Streit um den Start von EU-Beitrittsverhandlungen mit den Balkanstaaten Nordmazedonien und Albanien. Es gebe heute keine Schlussfolgerungen, sagte der finnische Ministerpräsident Antti Rinne. Ob die Gespräche am zweiten Gipfeltag fortgesetzt werden, war zunächst unklar. Rinne erklärte, man wolle weiterreden, er sei sich aber nicht sicher, ob es noch zu einer Einigung kommen könne. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte hingegen, man werde bei einem späteren EU-Gipfel auf das Thema zurückkommen.

Als Hauptgrund für das Scheitern der Gespräche am Abend gilt die Position des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Paris verlangt eine grundsätzliche Reform des Beitrittsprozesses als Voraussetzung für die Zustimmung zum Start der Beitrittsverhandlung. Zudem gibt es Zweifel an den Reformfortschritten insbesondere in Albanien.

Beim zweiten Tag des EU-Gipfels stehen noch weitere Themen im Fokus: Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen wollen unter anderem über die Finanzplanung von 2021 an beraten. Die Positionen sind allerdings weit auseinander. Als Nettozahler beharrt die Bundesregierung deswegen darauf, das Volumen auf 1,0 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung zu begrenzen. Andere Staaten werben für ein deutliches höheres Budget. Große Fortschritte werden bei den Gesprächen nicht erwartet.

Erstmals kann auch die designierte Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, ihre Pläne für die kommenden fünf Jahre vorstellen. Am Morgen wollten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Kanzlerin Angela Merkel und weitere Staats- und Regierungschefs mit von der Leyen frühstücken.

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