Mysterium Fed: Das Rätselraten um die US-Zinswende ist zurück

FRANKFURT/MAIN (dpa) - Kurz nach dem Brexit-Votum schien die Zinswende in den USA auf Eis gelegt. Doch jetzt ist das Rätselraten um die nächste Leitzinsanhebung zurück. Die US-Notenbank Fed schaffe keine Klarheit, kritisieren Experten.

Egal wie rund die amerikanische Wirtschaft läuft: Für die US-Notenbank Fed gab es seit der Finanzkrise fast immer einen Grund, die Leitzinsen nicht anzuheben. Das dürfte angesichts des Brexit-Votums bei der Notenbanksitzung an diesem Mittwoch nicht anders sein. Aber das Rätselraten über den künftigen Kurs ist wieder in vollem Gange. Wann werden die Währungshüter an der Zinsschraube drehen? In letzter Zeit schwanken die Erwartungen an den Finanzmärkten stark. Klare Signale gibt die Fed schon lange nicht mehr. Sehr zum Unmut von Experten.

Nur einmal seit der Finanzkrise hat sich die Fed getraut: Im Dezember hoben die US-Notenbanker erstmals seit dem Lehman-Crash den Leitzins von der Nulllinie leicht an. Doch was als Einleitung der Zinswende gefeiert wurde, als Startsignal für eine schrittweise Abkehr vom Niedrigzins, blieb ein isoliertes Einzelereignis ohne Folgen. Denn ob Brexit-Votum oder Wachstumsschwäche in China, ob schwache Konjunkturdaten oder ein starker Dollar: Für die US-Währungshüter gibt es scheinbar immer einen Grund, die Fortsetzung der Zinswende zu verschieben.

Daran dürfte sich auch bei der Fed-Sitzung am Mittwoch nichts ändern. «Zwar haben sich die Wirtschaftsdaten in den letzten Wochen merklich verbessert, so dass die Angst vor einer Verlangsamung der US-Wirtschaft zerstreut wurde», sagt Harm Bandholz, Chefvolkswirt bei der Bank Unicredit. Doch die Währungshüter hätten schon signalisiert, dass sie abwarten wollen, wie sich der Brexit auf die USA auswirken wird. «Ursache für die zögerliche Haltung sind vor allem die dominierenden globalen Unsicherheiten», meinen auch Experten der Bank HSBC Trinkaus.

Allerdings sehen Ökonomen nur geringe Auswirkungen des Brexit auf die US-Wirtschaft und selbst aus der Eurozone gibt es erste Hinweise durch Konjunkturdaten, dass sich die Auswirkungen wohl auf Großbritannien konzentrieren werden und weniger den Rest der Welt betreffen dürften. Zudem zeigten sich Fed-Mitglieder zuletzt erleichtert über die eher geringen Auswirkungen des Votums auf die globalen Finanzmärkte.

Und vor allem eines spräche eigentlich für Zinsanhebungen in den USA: Die US-Wirtschaft läuft rund. Die Industrie und der Einzelhandel brummen, der Arbeitsmarkt zeigt sich nach vorübergehender Schwäche in exzellenter Verfassung, die Inflation legt etwas zu und bei den am Freitag anstehenden Zahlen zum Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal rechnen Experten dank eines kräftigen Konsums mit dem stärksten Wachstum seit einem Jahr.

Experten vom Londoner Analysehaus Capital Economics sehen deshalb auch aus Sicht der Fed die Gründe zum Abwarten schwinden und den Druck steigen, die Zinswende bei der übernächsten Sitzung im September fortzusetzen. Gehe man allein von den Wirtschaftsdaten aus, sei es «schwer einzusehen, wie die Fed im September rechtfertigen könnte, die Zinsen nicht anzuheben», sagt Experte Paul Ashworth.

Doch dass dies wirklich passiert, glaubt man an den Finanzmärkten nicht. Dort wird die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung im September nur auf gut ein Viertel geschätzt. Immerhin liegt inzwischen die Wahrscheinlichkeit für eine Anhebung in diesem Jahr wieder bei knapp 50 Prozent. Kurz nach dem Brexit-Votum hatten sich die Erwartungen zwischenzeitlich bis ins Jahr 2018 nach hinten verschoben.

Ralph Solveen, Experte bei der Commerzbank, wirft den US-Notenbankern wegen der starken Schwankungen bei den Markterwartungen ein Kommunikationsproblem vor. Es gebe ein andauerndes Missverständnis: Die Fed wolle eigentlich nur signalisieren, dass sie spontan von Sitzung zu Sitzung entscheiden und sich nicht langfristig auf einen festen Kurs festlegen lassen wolle. An den Finanzmärkten komme dagegen an, dass es auf absehbare Zeit keine Straffung der Geldpolitik geben werde.

Und Notenbanker handeln ungern entgegen den Erwartungen der Finanzmärkte, weil dies zu Kursturbulenzen führen kann. «Die Kommunikation der Fed hat in den letzten Monaten Märkte und Analysten - darunter auch uns - verwirrt», sagt Solveen.

Eine Möglichkeit, diese Verwirrung zu beenden, haben die Währungshüter am Mittwoch nur in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Zinsentscheidung, denn eine Pressekonferenz ist nicht angekündigt. Doch auch von der Stellungnahme erhoffen sich Experten keine Klarheit. «Sie dürfte in unseren Augen versuchen, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Anerkennung der besseren Daten und immer noch schwelenden Risiken für den Ausblick», sagt Unicredit-Chefvolkswirt Bandholz. Oder anders formuliert: Man werde klarstellen, dass es keine Klarheit gibt.

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