Mutmaßlicher Amokfahrer von Trier soll vor den Haftrichter

Im Trierer Petersdom zündet eine Frau während einer Messe für die Opfer im Petersdom eine Kerze an. Foto: epa/Julien Warnand
Im Trierer Petersdom zündet eine Frau während einer Messe für die Opfer im Petersdom eine Kerze an. Foto: epa/Julien Warnand

TRIER: Warum mussten fünf Menschen in der Trierer Innenstadt sterben? Dieser Frage gehen die Ermittler weiter nach. Der festgenommene Autofahrer muss vor den Haftrichter. Eine ganze Stadt steht unter Schock.

Nach der Amokfahrt in der Trierer Innenstadt mit mehreren Toten soll der dringend Tatverdächtige am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden. Nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gibt es Hinweise auf eine mögliche psychische Erkrankung bei dem 51-Jährigen. Die Justizbehörde muss daher noch entscheiden, ob sie Untersuchungshaft beantragt oder die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung.

Nach den bisherigen Ermittlungen hatte der Mann mit einem PS-starken Geländewagen am frühen Dienstagnachmittag gezielt Menschen in der Trierer Fußgängerzone überfahren. Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz (SPD) war er in der Innenstadt im Zickzack-Kurs mit seinem Wagen unterwegs. Fünf Menschen starben, darunter ein neun Wochen altes Baby. 14 weitere Menschen wurden verletzt. Rund vier Minuten nach dem ersten Notruf konnten Polizisten den Autofahrer festnehmen.

Das Motiv des Mannes ist noch unklar, einen politischen oder religiösen Hintergrund schließen die Ermittler aber bislang aus. Auch gebe es keine Hinweise auf Mittäter oder Komplizen des Festgenommenen. Der Verdächtige ist Deutscher und gebürtig aus Trier. Er war zur Tatzeit betrunken, bei ihm wurden 1,4 Promille festgestellt. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen Mordes, Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung. Nach Angaben der Ermittler lebte er in den Tagen vor der Tat in dem Auto.

Zu den Todesopfern zählen neben dem Baby drei Frauen im Alter von 25, 52 und 73 Jahren sowie der 45-jährige Vater des Kindes. Sie alle stammen aus Trier. Die Mutter des Babys hat überlebt und liegt laut Behördenangaben ebenso im Krankenhaus wie ihr eineinhalb Jahre alter Sohn.

Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) sprach nach der Amokfahrt vom schwärzesten Tag für die Stadt in der Nachkriegsgeschichte. Am Mittwochvormittag (10.00) wird am Trierer Wahrzeichen Porta Nigra der Opfer gedacht. Im Trierer Dom beteten bereits am Dienstagabend rund 100 Menschen für die Toten, die Verletzten und ihre Angehörigen.

Die Innenstadt wurde nach der Tat für die weiteren Ermittlungen weiträumig abgesperrt. In der Nacht waren die Tatortarbeiten dann abgeschlossen, die Fußgängerzone wurde wieder freigegeben.


Amokfahrt in Trier: Nach dem Schock kommt die Trauer

TRIER: Am Tag nach der Amokfahrt ist es in Trier vor allem: still. Die Menschen stellen vielerorts Kerzen auf und trauern. Besonders das Schicksal der Familie, die Baby und Vater verloren hat, treibt um.

Sie stellen Kerzen auf, legen weiße und rote Rosen nieder. Viele halten inne vor dem wachsenden Lichtermeer, in das sich kleine Engel, Teddybärchen und Plakate mischen. Immer mehr Menschen kommen am Tag nach der Amokfahrt in Trier an das einst römische Stadttor Porta Nigra, um der Opfer und Angehörigen zu gedenken. «Es ist einfach nur schlimm», sagt eine Mutter mit ihrem fünfjährigen Kind, die gerade eine weiße Kerze angezündet hat. «Mein Kind fragt mich, warum? Und ich kann nur sagen: Man weiß es nicht.»

Schrecklich. Unbegreiflich. Furchtbar. Das sind die Worte, die die Trierer immer wieder wählen für das Ereignis, das ihre Stadt am Dienstag verändert hat: Ein Amokfahrer (51) war mit seinem PS-starken Geländewagen quer durch die Fußgängerzone gefahren und hatte gezielt Menschen angesteuert. Fünf Menschen starben, 18 weitere Menschen wurden verletzt - sechs von ihnen schwer. Gegen den Tatverdächtigen erging Haftbefehl unter anderem wegen Mordes in fünf Fällen.

Nach dem Schock ist am Mittwoch die Trauer riesengroß. Vor allem das Schicksal einer hart getroffenen deutsch-griechischen Familie treibt die Menschen um: Ein neun Wochen altes Mädchen und dessen Vater (45) wurden getötet, Mutter und Ehefrau sowie ihr Sohn (1) liegen verletzt im Krankenhaus. «Wenn man selbst ein Kind hat, kann man nachvollziehen, was das bedeutet. Es ist das Schlimmste, was passieren kann», sagt Verena Becker (24) mit ihrem knapp zwei Jahre alten Sohn im Kinderwagen.

Sie weint, kann kaum weitersprechen. «Wir wollten eigentlich am Dienstag auch in die Innenstadt gehen, aber da hat es angefangen zu regnen und wir sind zu Hause geblieben.» Auch auf dem Hauptmarkt, wo das Baby und der Vater starben, stehen viele Kerzen. «Mein Sohn hat aus dem Fenster den umgefallenen Kinderwagen gesehen», erzählt eine Triererin. «Was geht in einem Menschen vor, der so was macht?», sagt sie kopfschüttelnd über den Täter. «Es macht einen sprachlos.»

Eine Gruppe von Schülerinnen liegt sich weinend in den Armen. «Sie war eine Lehrerin von uns», sagt ein Mädchen zum Tod der 52-Jährigen, die am Dienstagabend starb. «Wir haben ein Plakat für sie gemacht.» Es liegt nun am Trauerort an der Porta. «In Gedenken» steht darauf, mit den Unterschriften der Schüler. Zu den Todesopfern zählen zudem eine 73 Jahre alte Frau und eine 25-Jährige aus Trier.

In einer bewegenden Gedenkveranstaltung fasste der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) zusammen: «Trier trauert, Trier leidet, Trier resigniert aber nicht.» Man wolle solidarisch sein, mit den Angehörigen, den Betroffenen. Trier sei eine kleine Großstadt: «Und deshalb bin ich mir sehr sicher, dass die Trauer, die wir alle zurzeit haben, auch in einem Zusammenrücken besteht.» Am Nachmittag wollte er Verletzte im Krankenhaus besuchen.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die in Trier zu Hause ist, sagte bei einer Kranzniederlegung: «Es ist ein trauriger Tag. Eine Nacht hat nicht geholfen.» Keiner habe sich je vorstellen können, dass so etwas in Trier passieren könnte - dass ein Mann sein Auto zur Waffe gemacht und wahllos gemordet habe. «Was auch immer ihn dazu gebracht hat: nichts, wirklich gar nichts kann diese brutale und schreckliche Tat rechtfertigen», sagt sie.

Man trauere mit den Angehörigen der Toten, bete für die Verletzten. «Und gleichzeitig weiß ich ganz genau: Kein Wort kann den Verlust und das Leid der Menschen, die betroffen sind, erst einmal lindern.» In der Trierer Innenstadt, in der am Dienstag stundenlang Sirenen und Martinshorn ertönten, ist es am Mittwoch vor allem eins: still. Immer wieder stehen Menschen andächtig in Gedanken verloren da. «Der 1. Dezember hat Trier verändert», sagt eine Triererin.

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