Corona-Kriseentzweit Grenznachbarn

Mundschutz-Glaubensstreit am einstigen «Eisernen Vorhang»

Selbst beim Spaziergang im Freien darf in der Slowakei der Mundschutz nicht fehlen. Die rotweißen Steine markieren die Staatsgrenze zwischen der Slowakei und Österreich. Foto: Christophe Thanei/dpa
Selbst beim Spaziergang im Freien darf in der Slowakei der Mundschutz nicht fehlen. Die rotweißen Steine markieren die Staatsgrenze zwischen der Slowakei und Österreich. Foto: Christophe Thanei/dpa

BRATISLAVA: Der unbebaute Grünstreifen zwischen dem slowakischen Bratislava und dem österreichischen Dorf Kittsee ist Erholungsraum für beide. Die Corona-Krise entfachte nun aber einen Glaubensstreit zwischen den Nachbarn.

Wo vor über 30 Jahren der «Eiserne Vorhang» zwischen der slowakischen Hauptstadt Bratislava und dem österreichischen Nachbardorf Kittsee eingerissen wurde, hat die Corona-Krise eine neue Grenze zwischen zwei Überzeugungen entstehen lassen. Im gemeinsam als Naherholungsgebiet genutzten Grünland, das vom einstigen Todesstreifen übrig geblieben ist, zeigt sich auf den ersten Blick, wer Slowake und wer Österreicher ist. Die einen legen nicht einmal dann ihren Mundschutz ab, wenn sie alleine joggen. Die anderen bedecken Mund und Nase selbst dann nicht, wenn sie auf Bekannte treffen.

In der Slowakei ist es seit 25. März bei Strafe verboten, ohne Maske die Wohnung zu verlassen. In vielen Lebensbereichen wie in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf Ämtern war ein Mundschutz schon vorher verpflichtend. In Österreich dagegen machten sich selbst die sonst auf Seriosität bedachten Nachrichtenmoderatoren des öffentlich-rechtlichen Fernsehens über die slowakische Präsidentin lustig, die bei der Vereidigung der neuen Regierung ihren Mundschutz in Farbe und Design an ihr Kleid anpasste.

So tummeln sich zwar wie vor dem Ausbruch der Pandemie Radfahrer, Skater und Spaziergänger aus dem Plattenbau-Stadtteil Bratislava-Petrzalka in dem scheinbaren «Niemandsland» zwischen ihren Hochhäusern und dem österreichischen Dorf. Aber sie mischen sich nicht mehr so unbesorgt mit den österreichischen Joggern und Ausflüglern. Die durch rot-weiße Grenzsteine markierte Staatsgrenze verläuft kreuz und quer über die Feldwege. So ist es unmöglich, konsequent nur im einen oder im anderen Staat zu bleiben. Umso deutlicher ist dafür nun der im Gesicht zu sehende Unterschied zwischen beiden Nationen.

Dass die österreichische Regierung nun zumindest in Geschäften einen Mundschutz vorschreibt, nehmen auch in Kittsee viele mit Genugtuung auf. In der Gemeinde sind die slowakischen Zuwanderer gerade dabei, zur Bevölkerungsmehrheit zu werden. Auf ihrer Facebookseite «Slovaci v Kittsee» (Slowaken in Kittsee) hatte der Mundschutz-Glaubensstreit mit den Einheimischen schon aggressive Züge angenommen. Die Maskenverweigerung der Österreicher stelle eine Infektionsgefahr für die gewissenhaften Slowaken dar, war seit Wochen zu lesen.

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Sylvia Schattschneider 05.04.20 14:40
Ich denke ,die Slowakei hat ganz zeitig die richtigen Maßnahmen ergriffen.Wo ist auch das Problem sich in der gesamten Öffentlichkeit etwas Baumwolle vor Mund und Nase zu machen.