Mordserie erschüttert Frankreich

«Personalchef-Killer» vor Gericht

Foto: Pixabay/Hunt-er
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VALENCE: Mehrere Entlassungen kann ein Ingenieur in Frankreich offenbar nicht verkraften. Viele Jahre später kommt es zu blutiger Rache, auch eine Angestellte einer deutschen Firma wird erschossen. Jetzt kommt der sogenannte Personalchef-Killer vor Gericht.

Als die Personalchefin der Frankreich-Niederlassung des fränkischen Baustoffherstellers Knauf am 26. Januar 2021 abends nach Hause fahren will, schickt sie ihrer Tochter noch schnell eine Nachricht: «Ich fahre los.» Doch zu Hause kommt sie nicht mehr an. Kollegen finden die 39 Jahre alte Mutter von zwei neun und elf Jahre alten Mädchen eine halbe Stunde später erschossen in ihrem Auto auf dem Firmenparkplatz im elsässischen Wolfgantzen. Estelle L. ist angeschnallt und der Motor läuft. Noch am selben Abend wird im Elsass auf einen weiteren Personalchef geschossen. Zwei Tage später sterben in Südfrankreich eine Personalerin und eine Arbeitsamtsmitarbeiterin.

Für die Gewaltserie, die Frankreich damals erschütterte, macht die Justiz einen arbeitslosen 48 Jahre alten Ingenieur aus Lothringen verantwortlich, der nach den Taten in Südfrankreich in Valence gefasst wird. Dort muss der von den Medien als «Personalchef-Killer» bezeichnete Gabriel F. sich von Dienstag kommender Woche an wegen dreifachen Mordes sowie Mordversuchs vor Gericht verantworten. Auch wenn er zu seinem Motiv schweigt, ist für die Ermittler klar, dass der Mann sich an denen rächen wollte, die er für sein gescheitertes Berufsleben verantwortlich macht. Von der «kalten und entschlossenen Rache eines intelligenten Mannes» ist in der Anklage die Rede.

Rekonstruiert werden konnte schnell der Bezug des mutmaßlichen Täters zu den Opfern. Der Personaler, der im Elsass die Attacke unverletzt überstand, war 2006 für die Entlassung des Angeklagten bei einer Firma nahe von Paris verantwortlich, Estelle L. war damals seine Praktikantin. Ende 2009 verlor der Angeklagte seine Stelle bei einer Firma nahe Valence, elf Jahre später läuft er in das Unternehmen und tötet die Personalchefin (51) mit einem aufgesetzten Schuss. Sein damaliger Chef, nachdem er sich ebenfalls erkundigt, arbeitet inzwischen woanders. Die Arbeitsagentur, meinen die Fahnder, machte der Täter als Ganzes zur Zielscheibe, die 54-jährige Angestellte, die durch einen Schuss in die Brust stirbt, ist ein Zufallsopfer.

Mehr über die Persönlichkeit des Angeklagten erfahren die Fahnder durch die Auswertung seines Computers und von zahllosen Notizen, die er in der U-Haft in französischer und deutscher Sprache macht - vorübergehend arbeitete der Franzose auch in Deutschland. Der sozial isolierte alleinstehende Mann verkraftete seine Entlassungen demnach nicht, fühlte sich gedemütigt und verfolgt. Wie die Zeitung «Le Monde» berichtete, erfasste der Sportschütze sein Alltagsleben in unzähligen Computerdateien - und schmiedete schon seit Jahren Rachepläne. Dazu spähte er seine Opfer systematisch aus und wollte offenbar noch weitere Menschen töten.

Dazu gehörte eine Freundin aus Schulzeiten, von der er sich bei einem Wiedersehen 2008 abgewiesen fühlte und deren Wohnanschrift bei Paris er offenbar zwischen den Morden im Elsass und im Süden angesteuert hat - die Frau war aber wenige Monate zuvor umgezogen. Als Beamte den Angeklagten in Valence nach der Kollision mit einem Polizeiwagen fassten, war dieser allem Anschein nach mit einer Schusswaffe und knapp 200 Schuss Munition auf dem Weg zum damaligen Staatsanwalt von Valence. Der Angeklagte «war bei seiner Festnahme noch nicht am Ende seiner Reise angekommen», hielten die Ermittler fest. Der Prozess ist bis zum 30. Juni terminiert. Dem Angeklagten droht lebenslange Haft.

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