EU soll keinen «Dritten Weltkrieg» beginnen

​Morawiecki warnt 

EU-Gipfel Pressekonferenz des polnischen Premierministers. Foto: epa/Stephanie Lecocq
EU-Gipfel Pressekonferenz des polnischen Premierministers. Foto: epa/Stephanie Lecocq

WARSCHAU: Im Streit um die Rechtsstaatlichkeit hat Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki die EU davor gewarnt, versprochene Gelder für sein Land zurückzuhalten, und dabei von einem «Dritten Weltkrieg» gesprochen. «Wenn sie den Dritten Weltkrieg beginnen, werden wir unsere Rechte mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen», sagte Morawiecki der britischen Zeitung «Financial Times» (Montag). Er schloss auch nicht aus, dass Warschau wichtige EU-Vorhaben wie das Klima-Paket blockieren könnte.

Hintergrund des aktuellen Streits ist ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem wesentliche Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind. Diese Entscheidung wird von der EU-Kommission und etlichen anderen Staaten als höchst problematisch angesehen, weil sie der nationalkonservativen PiS-Regierung einen Vorwand geben könnte, ihr unliebsame Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu ignorieren. Zudem steht Warschau schon seit Jahren wegen der Reform des polnischen Justizwesens in der Kritik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angekündigt, milliardenschwere EU-Corona-Hilfen für Polen solange zu blockieren, bis das Land bestimmte Justizreformen zurückgenommen hat.

Die EU-Kommission verstoße gegen europäisches Recht, indem sie die Corona-Hilfen für sein Land weder genehmige noch ablehne, sagte Morawiecki. Polen sei bereit, auf dieses Geld zu warten. «Je später wir es bekommen, desto größer ist der Beweis für diese diskriminierende Behandlung und die diktat-ähnliche Vorgehensweise der EU-Kommission.» Morawiecki erwähnte in dem Interview auch die Vergabe sogenannter Kohäsionsmittel gegen wirtschaftliche und soziale Ungleichheit in den EU-Staaten.

Morawiecki warf der EU-Kommission nun in dem Interview vor, sie stelle «mit einer Pistole an unserem Kopf» Forderungen an sein Land. Damit spielte er darauf an, dass die Behörde finanzielle Sanktionen gegen Polen vor dem EuGH beantragt hat, weil die Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern trotz einer anderslautenden EuGH-Entscheidung weiter arbeitet. Polens Regierungschef kündigte nun erneut die Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer an.

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte am Montag, man kommentiere Interview-Äußerungen nicht. Grundsätzlich stellte er aber klar, dass die Europäische Union mit großem Erfolg zu dauerhaftem Frieden zwischen den Mitgliedstaaten beigetragen habe. Für Kriegsrhetorik im Verhältnis zwischen den EU-Ländern oder zwischen Mitgliedstaaten und EU-Institutionen sei kein Platz.

Ãœberzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Thomas Sylten 26.10.21 18:40
Was tun gegen bewusste Obstruktion?
Das Grundübel der EU ist der Zwang zur Einstimmigkeit bei den wichtigsten Entscheidungen - die dadurch nie gefällt werden können, solange einzelne Partner reine Obstruktion betreiben und so das gemeinsame Haus sabotieren.

Dabei halte ich es für grundfalsch, von "den Polen" und "den Ungarn" zu sprechen: Es handelt sich lediglich um deren amtierende Regierungen - das kann sich (theoretisch) auch schnell wieder drehen, solange wir demokratisch strukturiert bleiben.

Zur Lösung sympathisiere ich neben der Aufhebung des Einstimmigkeits- zugunsten des Mehrheitsprinzips auch sehr mit dem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, da so auf Empfindlichkeiten und Besonderheiten einzelner Mitglieder Rücksicht genommen werden kann, ohne ein Vorankommen der europäischen Einigung zu blockieren. Ein Exit würde so weniger wahrscheinlich - auch wenn ich die Möglichkeit, besonders destruktive Mitglieder vor die Tür setzen zu können, im Interesse der Gesamtheit für dringend notwendig halte.
Juerg Schwendener 26.10.21 15:50
Beamtendiktatur EU
Wenn sich die EU nicht bald einer Demokratie der Bevölkerung zuwendet die auch Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern zulässt, wird die Kritik an dem an sich sinnvollen Bündnis nicht enden. Auch weitere Länder werden sich eher abwenden, wenn ihre Souveranität zu stark unterdrückt wird. Auch die Schweiz wird niemals bei einer Brüsseler Beamtendiktatur mitmachen! (z.K. @ Ole Bayern)
Ling Uaan 26.10.21 11:20
Genau Khun Meier,
DASS ist das wichtigste, Frieden.
Ein weiterer Krieg würde uns wesentlich mehr kosten als alles Geld was wir jemals in die EU abgedrückt haben. Und gerade Polen sollte doch Frieden und sichere Grenzen schätzen.

Eine gewisse Entschlackung der EU wie es die Briten forderten ist aber schon nötig. Auch sollte man mehr Demokratie wagen, das die Posten in der EU Kommission in dunklen Hinterzimmern in Brüssel beim großen Postenschacher vergeben werden ist undemokratisch und definitiv nicht mehr Zeitgemäß.
Jürgen Franke 26.10.21 10:50
Die wirtschaftlichen Verhältnisse
der EU Länder sind sehr unterschiedlich, so dass es immer zu Problemen kommen wird.
Ole Bayern 26.10.21 04:57
Herr Sigrit.....
.... man kann nicht die Europäische Union mit Kosten / Nutzen - Rechnung aufwiegen .
Deutschland zahlt auch mehr als es wieder bekommt . Aber das ist ja vollkommen normal ... und auch gut so .
Die EU muß und wird sich entwickeln zu einer politischen und wirtschaftlichen Macht der Welt , und viele Fehler - die ich ja durchaus zugebe - beheben .
Und ich prophezeie Ihnen als Schweizer Bürger - nehme ich an . . Auch die Schweiz wird eines Tages Teil dieser EU werden .
Der derzeitige Wohlstand in der Schweiz ist nicht auf alle Ewigkeit gepachtet , das ist mal sicher .
Und nur gemeinsam haben wir in Europa - wenn überhaupt - gegen China und die USA eine Chance unseren Wohlstand und unsere Sicherheit beizubehalten.
Und bedenken Sie ... die Schweiz war vor nicht allzu langer Zeit ( vor Napoleon ) ein rückständiges Land in Europa, und hat sich auch Dank solider Finanz und allg. Politik zu einem Bollwerk der Wirtschaft entwickelt. Es muß aber nicht zwangsweise so weitergehen mit unserem Wohlstand in D.A.CH .
Deshalb meine Meinung .... 100 % pro EU / Europa.
Und das UK wird auf kurze Sicht auch den Weg zurück finden , wenn nur erstmal die Schockstarre des wirtschaftlichen Niedergangs im UK jedem dort bewußt wird.

Wie immer nur meine bescheidene Meinung zum Thema .... kann stimmen ... muß aber nicht !

VG Ole
Beat Sigrist 26.10.21 02:33
Es steht doch jedem EU Land frei
aus diesem Verein auszutreten. England hat es vorgemacht und so sicher wie das Amen in der Kirche werden eines Tages auch weitere kommen und gehen. Jeder Verein hat gute aber auch solche Seiten welche einem nicht so gefallen. Dann muss man halt abwägen von Nutzen und Kosten.
Dieter Goller 25.10.21 20:50
Wie lange noch?
Es ist schon sehr bezeichnend fuer die masslose Selbstueberschaetzung bzw. das Leben in einer Parallelwelt wenn der MinPraes von Polen jetzt - im Zusammenhang von Mittelkuerzungen - von einem drohenden dritten Weltkrieg spricht. Zum einen belegt dies die voellig unreflektierte Verwendung von Begrifflichkeiten (wie Weltkrieg) durch diese PiS-Populisten, zum andern zeigt sie aber auch auf, wo man den "Finger in die Wunde" legen muss. Es scheint ueber "Geld" der einzige Weg zu fuehren - nachdem die EU bei ihrer Gruendung sinnvolle, handhabbare und wirksame Mechanismen zur Sanktionierung destruktiven und sabotierenden Verhaltens voellig vernachlaessigt hatte - Mitgliedslaender zur Vernunft und zur Einhaltung gemeinsamer Grundwerte zu bringen. Zeit wird's, macht endlich hin!